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Anzeigen? Ankreiden? Oder lass ich’s lieber sein?

Zwei Vorfälle. Zwei Ausfälle. Zwei Frauen. Eine Frage.

Fall eins: Jemand auf X bezeichnet mich als F****. Meine jahrelange Erfahrung mit dem vermeintlichen Mob lässt mich einen Screenshot erstellen. Den gebe ich dann an die tollen Leute von HateAid weiter – falls ich es nicht vergesse. Das kann schon mal passieren: Zwar deutet meine Routine (richtigerweise) darauf hin, dass so etwas wie diese Entgleisung öfter mal vorkommt. Aber auch nicht jeden Tag. Normalerweise sind diese Incel-Männer, die mir sowas aus ihrem seit 45 Jahren von ihnen bewohnten Kinderzimmer schreiben, schlau genug: Sie schreiben am Justiziablen haarscharf vorbei.

Ich mache erstmal gar nichts, weil ich tatsächlich mit anderem Kram beschäftigt bin. Nämlich mit Freihaben. Ich habe mir drei Monate unbezahlten Urlaub genommen und komme damit wirklich nicht SO gut zurecht. Zumindest bin ich sehr schlecht darin, meine Tage zu strukturieren und zerfasere ein bisschen. Egal, ich schweife ab.

Zwei Wochen später dann eine große Überraschung: Post von einer Anwältin. Eine vorbeugende Unterlassung. Kannte ich bis dato nicht. Aus der die zweite, für mich noch größere Überraschung deutlich wurde: nix da Incel, nix da der 45-jährige Rainer im fleckigen Unterhemd, der immer noch bei Mutti wohnt. Hinter dieser Obszönität und hilflosen Entgleisung steckte eine Frau. Ich präzisiere: eine wohl jetzt doch etwas aufgeschreckte Frau. Eine, die zur Anwältin gelaufen war, um mir proaktiv ausrichten zu lassen, sie würde sowas nicht noch mal tun.

Die Frau, die sich nicht zu schade für dieses primitivste aller Worte gewesen war, ist mir durch das Schreiben ihrer eilends mandatierten Anwältin nun bekannt. Mit Klarnamen, mit Adresse. Lassen wir mal den Fakt außen vor, dass ich es äußerst befremdlich finde, so krass aus der Rolle zu fallen UND als Frau eine andere Frau dermaßen zu beschimpfen – eine kurze Google-Recherche ließ mich weiter staunen: Die Dame Frau führt ein mittelständisches Unternehmen und ist in der Politik aktiv. In einer bürgerlichen Partei.

Wäre ich sie, wäre ich auch zur Anwältin gegangen. Denn der thüringische Ort, in dem sie Chefin ist, ist klein. Und auch, wenn ich regelmäßig von der Verrohung unserer Gesellschaft spreche, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es inzwischen schon komplette Landstriche gibt, in denen ein solches Verhalten salonfähig ist. Und in der FDP sicherlich auch nicht.

Da ist es nicht dumm, schnell zu versichern, dass man die Kontrolle nicht noch mal dermaßen verliert, und mich entweder so daran hindert, sie anzuzeigen, oder aber – falls schon geschehen, konnte sie ja nicht wissen – im Zweifel auf Strafminderung zu pochen, weil man ja reuig ist. War der Mann, der mich „Hure“ nannte, vor Gericht übrigens auch. Deshalb sprach die Richterin ihn frei. Die Richterin, die fand, ich solle mich im Netz auch mal zurückhalten. Er hatte mich aufgrund meines Nazi-Tweets so beschimpft. Völlig logisch, das rutscht einem schon mal raus, und ich hab es ja schließlich provoziert. Nazi-Tweets sind der kurze Rock unter social media-Postings. Die Richterin hat also klug entschieden, keine Frage. Der Mann hat bis heute, fast zwei Jahre später, übrigens nicht die ihm aufgebrummte Zahlung an eine gemeinnützige Organisation geleistet. Die 4000 Euro betragen sollte. Einen Monats-Netto-Lohn. Auch er also kein Loser. Ich applaudiere einmal mehr für die weise Entscheidung der Richterin. Nicht.

Zurück zum Thema: Zeichne ich die Thüringerin nun an, oder lasse ich es sein? Schwierige Frage, finde ich. Denn einerseits erwarte ich von Leuten, dass sie sich im Griff haben. Andererseits will ich aber natürlich auch niemandem nachhaltig schaden. Ich grüble noch.

Fall Nummer 2: Eine Frau (ebenfalls aus Thüringen, machen Sie daraus, was Sie wollen), die mir „Halt’s Maul“ auf Instagram schrieb. Ich bin keine Mimose und auch keine Prinzessin auf der Erbse. Diese Frau ist nur leider dermaßen doof, dass sie mir erstens öffentlich geschrieben hat und zweitens ein öffentliches Profil dort besitzt, aus dem unter anderem hervorgeht, dass sie in einem Jugendclub arbeitet. Wie mir ein aufmerksamer Leser heute schrieb, ist sie verantwortlich für ab 10-Jährige. Ich sag mal so: Ich bin keine Pädagogin, aber als Vorbild fungieren sollten solche Leute doch eigentlich eher nicht, oder?

Nun die Frage: Was macht man da? Schulterzucken? Was sagen?

Erstmal wundere ich mich. Und dann sehen wir weiter.

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Mieterinnen-Explosion in the making

Die Mieten explodieren. Das ist leider Realität, und das ist furchtbar, aber das ist keine Neuigkeit. Demnächst aber werden Sie womöglich von einer Mieterinnen-Explosion hören. Da wird es dann wohl um mich gehen. Und vielleicht auch um andere Mitglieder eines Mietervereins. Lesen Sie selbst:

Ich habe vor acht Jahren einen Mietvertrag mit einer inzwischen ja auch bei Privatvermietungen sehr beliebten Index-Miete abgeschlossen. Dabei ist die Miete an den Verbraucherindex gekoppelt. Steigt er, steigt die Miete. Das ist so, ich habe mich vorher schlau gemacht über mögliche Risiken, und bin dann sehenden Auges reingegangen. In die Wohnung, in den Vertrag. Ich weiß ja, und das wird in dieser Geschichte noch wichtig, wo ich mich informieren kann und muss. Dank Ausbildung zur Redakteurin, dank der Tatsache, dass ich jeden Tag quasi ununterbrochen mein Geld damit verdiene, Informationen einzuholen, zu verifizieren und einzuordnen. (Übrigens ein Begriff, der Leute mittlerweile auf die Palme bringt: Journalisten seien nicht dazu da, einzuordnen, sondern nur zu berichten, lese ich immer wieder. Das ist so falsch und – pardon my French – dumm, dass ich darauf nicht mal antworten kann, weil mir dazu die Zeit fehlt. Ich muss ja Informationen einholen – Sie wissen Bescheid.)

Index-Miete also. Alljährlich liegt also ein Schreiben in der Post, das ich zwei Tage knurrend umrunde und dann irgendwann öffne, wenn ich mich seelisch ausreichend darauf eingestellt habe. Einmal fürs Protokoll: Ich habe ein wirklich gutes Verhältnis zur Vermieterin. Ist hier was kaputt, sage ich Bescheid, und ruckzuck wird sich gekümmert. Es gibt keinerlei Probleme.

Nun also lag wieder ein solches Schreiben im Kasten, und etwas daran kam mir seltsam vor. Also nutzte ich meine Mitgliedschaft im Mieterverein und rief dort an. Und das Telefonat ließ mich dermaßen kopfschüttelnd zurück, dass hier schon viertel vor Schleudertrauma herrscht.

Nicht genug, dass der Herr sich fünfmal (!) meinen Namen buchstabieren lassen musste. (Seit über 40 Jahren weiß ich, dass ein potenzielles C besprochen werden muss und trotzdem anschließend durchaus noch vorkommen kann. Aber „mit C oder nur mit K?“ hat man doch sogar dann schneller besprochen. Selbst wenn man Claus Kleber heißt. Denke ich jedenfalls.)

Gut, weiter. Wir hatten also diese Hürde genommen, und schon zu diesem Zeitpunkt graute mir vor den noch bevorstehenden. Spoiler: zu Recht.

Meine – zugegeben, ich bin keine Juristin – nach meinem Empfinden einfache Frage, ob diese erneute Erhöhung denn gerechtfertigt sei, konnte mir der Jurist vom Mieterverein am Telefon nicht beantworten. Dafür las er mir etwas schwerfällig die Definition von Index-Miete vor. Um aber weitere Fragen zu klären, bräuchte ich einen Termin, sagte er. Ok, dachte ich, fair enough. Der Verein hat eine Geschäftsstelle, dafür zahlt er Miete, dafür braucht es eine Rechtfertigung; ich habe gerade drei Monate frei. Mach ich halt einen Termin, gehe hin und treffe hoffentlich auf jemand etwas Vertrauenserweckenderen.

Zum Schuss dann aber der absurdeste Rat, den ich seit sehr langer Zeit bekommen habe: „Machen Sie einen Termin“, sagte der Herr, „bei Ihrer Sparkasse oder bei Ihrer Bank.“ – Ich: „Warum? Ich habe zwar den Verdacht, dass diese Mieterhöhung nicht gerechtfertigt ist, aber ich brauche keinen Kredit, das kriege ich gestemmt.“ – Er: „Nein, nein. Sie müssen ja wissen, wie sich der Verbraucherindex entwickelt hat.“ – Kurz musste ich mich sammeln, dann fragte ich nach: „Aber das lässt sich doch sehr leicht ermitteln, dafür muss ich doch nur ins Netz gehen, da habe ich doch alle Informationen.“ – Schweigen. Dann er: „Ja, ich kann Ihnen nur raten, dass Sie dazu einen Termin bei Ihrer Sparkasse oder bei Ihrer Bank machen und dort nachfragen.“

Kennen Sie das, wenn Ihnen etwas dermaßen abseitig erscheint, in einem solchen krassen Ausmaß, dass Sie nicht mehr wissen, ob Sie womöglich die Geisterfahrerin sind, die es nicht merkt? Zum Glück habe ich familiäre Kontakte in eine Sparkasse und erkundigte mich. Die Reaktion war genauso entgeistert wie meine.

In meinem Fall ist das nicht so schlimm. Ich kann mich im Zweifel selbst schlau machen. Im Grunde verbringe ich ja seit Jahren meinen kompletten Tag damit, Informationen usw. Dass ich beim Verein anrufe, hat auch etwas mit Bequemlichkeit und meiner Abscheu vor derlei Themen zu tun. Anderen geht es aber anders. Auch finanziell. Zudem registriere ich an mir Ermüdungserscheinungen: Dann frage ich da eben nichts mehr nach, wenn ich erst eine Viertelstunde in der Warteschleife hänge und dann unverrichteter Dinge UND mit dem Gefühl, dort nicht gut aufgehoben zu sein, aus dem Gespräch rausgehe. Dafür aber ist die Mietfrage für Viele aber ja zu existenziell…

Und deshalb überlege ich nun seit Tagen, ob es eine übergeordnete Instanz gibt, der ich diese Nicht-Beratung mal zur inneren Reflexion berichten kann. Mal sehen.

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Bluesky

Ich schäme mich, es zu schreiben – aber ich habe auch deswegen so lange nicht gebloggt, weil ich nicht den X-ten Beitrag darüber beisteuern wollte, wie gefährlich bösartig Elon Musk ist und wie sehr X unter ihm weiter verkommt. Eigentlich müsste man das Tag für Tag tun – aber erstens habe ich ja auch einen Beruf und ein Leben, und zweitens nutzt es sich dann auch ab. Vielleicht.

Nun aber ruhen ja alle Hoffnungen auf Bluesky. Letztes Wochenende sind die Nutzerzahlen dort explodiert. Musk hatte einen AfD-freundlichen Tweet mit einem DrüKo versehen, der sich eher nicht als Widerspruch verstehen lässt, und da war für Viele eine rote Linie erreicht. Sie machten rüber.

Bluesky sieht aus wie Twitter, und die Oberfläche funktioniert wie die bei Twitter, allerdings bisher ohne Videos und ohne GIFs, was ich aber beides verschmerzbar finde (zumal ich gerade auch verstärkt Instagram nutze. Da ist auch nicht mehr ohne Blocken möglich, über AfD oder Friedrich Merz zu schreiben, aber dazu wann anders vielleicht mehr.).

Der Unterschied zu Twitter: Die Arschlöcher, um Markus Beckedahl zu zitieren, sind nicht da. Noch nicht. Klar, da wird auch schon mitunter blöd gemoppert, aber das Verhältnis Twitter – Bluesky in punkto inakzeptables Verhalten ist in etwa wie das von Stalingrad zu Stars Hollow. Da gibt es ja bekanntlich einen Taylor. Taylors gibt es überall und gab es auch schon vor Musk bei Twitter (und Schlimmere). Jetzt aber wirken die Taylors im Vergleich wie Engel. Wie die Engel der Engel. Wie potenzierte Engel.

Ein weiterer Unterschied und ein Grund für das Stars Hollow-hafte: Bluesky-User wird momentan nur, wer einen Invite Code geschickt bekommt. Hat den Vorteil, dass von Seiten Blueskys nachvollzogen werden kann, wer Wüteriche reingelassen hat. Oder man kommt rein über eine Warteliste. Ein bisschen wie einst bei Clubhouse. Nur eben, dass hier nix Neues stattfindet. Und, dies ein Unterschied zu Mastodon: nix Nutzerunfreundliches. Es geht hier nicht darum, das eigene Nerdtum und Desinteresse an Traffic möglichst demonstrativ (und zwar mithilfe von möglichst viel Traffic) zur Schau zu stellen. Im aufwändigen Bemühen darum, denkbar wenig bemüht zu wirken, kommt Mastodon Berlin sehr nahe. Hier in der Hauptstadt treiben Leute ja immensen Aufwand, um maximal ungestylt rüberzukommen.

Gut. Kommen wir zurück zu Bluesky. Da ist es nett, da ist es normal. NOCH. Denn je schneller eine Plattform wächst, desto mehr wollen mitmachen. Aufwärtsspirale bei den Zahlen, Abwärtsspirale beim Niveau. Isso. Kann man nicht ändern. Es sei denn, es wird hart durchgegriffen bei der Moderation. Nur: Das bringt ja weniger Geld. Erstens kosten Moderatoren dies, zweitens erzeugt Wut ja die größte Aufmerksamkeit, Verweildauer, Daten, Werbekunden – wir kennen das alles. Und ob es bei, edlen Vorsatz bleibt, sich dem Algorithmus-Wahnsinn in seiner bisherigen Form zu verwehren – ich möchte, kann es aber nicht so recht glauben.

A propos kennen: Da wir das ja alle kennen, können wir zumindest einen Teil (mehr nicht, da mach ich mir keine Illusionen) dazu beitragen, dass der Irrsinn zumindest eingedämmt wird. Ich blocke schon jetzt ruckzuck, mute auch schnell bei Bluesky. Seien es Leute, die schon auf Twitter genervt haben durch Feuerlegen. Oder Leute, die mir doof von der Seite kommen. Da ist die Reaktionszeit durch jahrelange Social Media-Erfahrung inzwischen sehr verkürzt.

Es wird also nicht lange so sein. Ich genieße die Zeit, die noch angenehm bleibt, und dann ploppt ohnehin wieder das nächste Ding hoch. Wir verteilen uns auf immer mehr Dienste und lästern über die jeweils anderen. So sieht sie aus, die Zukunft. Ein bisschen Stars Hollow, ein bisschen Berlin – und ziemlich viel Stalingrad. Leider.

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Metas „Threads“ – Die ersten 36 Stunden

Seit gestern Morgen bin ich auch dabei. Bevor ich erste Eindrücke schildere, diese Einschränkung: Den gestrigen Tag habe ich nicht nonstop mit „Threads“-Beobachtung verbracht. Sie werden es verstehen; hier herrschten über 30 Grad, ich hatte frei, ich liebe den Sommer und Hitze*, Freunde fragten nach Begleitung zu einem der zahlreichen, wunderschönen Seen in der Umgebung – also verbrachte ich meinen Tag dort mit regelmäßigem Blick in die neue App. Eine Anekdote von vor Ort: Vor uns lagen ein Vater mit seinem Teenie-Sohn. Die beiden diskutierten dies und das, und als man unterschiedlicher Meinung war, sagte der Junge für alle laut vernehmbar zu seinem Vater dies: „Fick dich. Ich hasse dich.“ Der Vater reagierte mit einem Lachen, Sohnemann lachte auch, man plauderte weiter. Ich bin noch immer ein wenig – nun, nennen wir es: erstaunt.

Und damit wären wir bei Twitter. Dort postete ich diese primitive kleine Begebenheit. Einige teilten mein Befremden, andere aber sahen das Problem eher bei mir. Nun gut. Es ist halt Twitter. Da hat sich ein solcher Umgang ja bereits lange vor Elon Musk etabliert. Warum sollte sich in der Gosse jemand wundern über Gossensprache?

„Threads“ ist nun angetreten als Twitter-Gegenentwurf. Auch wenn Mark Zuckerberg sich nicht zu schade ist für Debatten um einen etwaigen Käfig-Kampf mit Musk, ist er ja schon nicht gänzlich unzurechnungsfähig. Dass seit Musks Übernahme und trotz Mastodons nerdig-lahmer politisch korrekter und vorbildlich dezentraler Performance ein großer Bedarf da ist nach einer Alternative, hat er ausgenutzt und kombiniert nun gleich drei sich aus seiner Sicht tippitoppi zusammenfügende Vorlagen: Viele wollen weg von Twitter, erstens. Viele mussten weg von Twitter: Musk hat in großem Stil und Bogen Mitarbeiter rausgeschmissen. Die müssen Geld verdienen. Und haben Ahnung von einem textbasierten sozialen Netzwerk. Das hat Zuckerberg drittens auch, siehe Facebook, zudem besitzt er Instagram und wenig Skrupel, und so schließt sich der Kreis: Relativ schamlos hat Zuckerberg Twitter kopiert, sich dabei von Leuten helfen lassen, die lange bei Twitter waren, und direkt mal die Crowd von Instagram befähigt, ihren dortigen Account nach Threads rüber zu transferieren. (Mehr dazu habe ich hier mit Gavin Karlmeier in seinem und Dennis Horns Podcast „Haken dran“ besprochen und hier in meinem Blog, den Sie vielleicht noch nicht kennen, ha ha, aufgeschrieben.)

Es ist also noch ganz kuschelig da drüben. Das ist ein Unterschied. Ein weiterer: In der Timeline erscheinen nicht nur diejenigen, denen man folgt. Das war ja früher bei Twitter so. Finde ich eine gute Sache, weil es den Horizont erweitert undsoweiter, nur hat man ja inzwischen bei Twitter sogar solche in der Timeline, die man geblockt oder gemutet hat. Aus guten Gründen. Darunter, auch das ein Unterschied, Leute mit blauem Haken. Ich kann jetzt nicht ganz uneingeschränkt sagen, dass der vor Musk und seinem peinlichen Blue-Abo-Modell zu 100% ein Garant war für gewinnbringende Beiträge. Das verbietet mir schon allein die Bescheidenheit, denn ich hatte auch einen. Aber er war ein Garant dafür, es nicht zu 90% mit Leuten dahinter zu tun zu haben, die ihre aus ebenfalls sehr guten Gründen vor ihrem blauen Haken nicht allzu große Followerschaft nun mithilfe großer, gekaufter Reichweite wenn nicht zu vergrößern, dann doch zu kompensieren. Etwas einfacher formuliert: Dass Hans74040 nur zwei Follower hatte, lag an seinen bescheuerten Tweets. Nun hat er auch nicht mehr Leute, die sich aktiv dafür interessieren. Weil er aber wichtig sein will, zahlt er Geld und wird nun passiv konsumiert, weil man sich kaum dagegen wehren kann. Da erweitert sich nicht mein Horizont, sondern ab und zu meine Halsschlagader.

Das soll alles so bleiben, wünschen sich die Leute bei Meta natürlich. Nur ist ihre Idee, wie diese Vision gelingen kann, abenteuerlich, nicht allzu demokratiefördernd und deshalb in Summe eine weitere Kapitulationserklärung einer Plattform gegenüber den Geistern, die sie rief:

https://www.threads.net/t/CuZ6opKtHva/?igshid=MzRlODBiNWFlZA%3D%3D

Insta-Chef Adam Mosseri sieht also eine Lösung des massiven Hassproblems, das sein Netzwerk über Jahre massiv verschlafen und anschließend über Jahre massiv geleugnet und gleichzeitig über Jahre massiv vernachlässigt hat und dies noch tut, hierin: Wir posten einfach keine politischen Inhalte.

Halleluja, warum sind wir da denn nicht früher drauf gekommen? Oder Meta?

Tja. Weil Meta, damals noch Facebook, sich äußerst gerne feiern ließ für seine Rolle im Arabischen Frühling. Weil man plötzlich everybody’s darling war. Von Menschen bevölkert, von Werbetreibenden fürstlich entlohnt, und von denen, die man jetzt nicht mehr so gern dabei oder thematisiert haben will, hofiert: von Politikern. Es ist der bisher bizarrste, peinlichste und entlarvendste Vorschlag, den ich je von einem Netzwerk-Verantwortlichen gehört habe. So viel Nonsens hätte ich nicht mal Musk zugetraut.

Die öffentliche Sphäre entpolitisieren zu wollen, lässt die gewinnen, die andere zum Schweigen bringen wollen. Und zeigt vor allem eins: Wie wichtig Regulierung ist. Und wie absurd es ist, auf Meta zu hoffen. Nur weil man nicht so absurd unterwegs ist wie Musk, ist man nicht automatisch nicht absurd.

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Metas „Threads“

Donnerstag soll sie kommen, die Alternative zu Twitter. Mark Zuckerberg will die stetig wachsende Niveau-Lücke, die beim Kurznachrichtendienst seit der Übernahme durch Musk klafft, füllen. Er geht das klug an – und nimmt damit womöglich den seit Wochen diskutierten Kampf zwischen den beiden Giganten vorweg. (Mehr möchte ich an dieser Stelle zu einem möglichen Käfig-Kampf zwischen den beiden Männern, die Macht über unser aller Daten haben, nicht schreiben. Ich bin erwachsen und habe einen Uniabschluss, ich kann mich wirklich nicht mit so einem Unsinn beschäftigen. Ok, ich kann schon. Will ich aber nicht. Würde würde hier nicht nur im Notfall großgeschrieben.)

„Threads“ soll an Instagram andocken. Aus drei Gründen ist das klug, wenn auch nicht so genial, wie jetzt manche tun: Instagram gehört zu Meta und genießt damit nicht diesen störrischen, lebensfremden Nimbus wie Mastodon. Zweitens nutzen Milliarden Menschen Insta. Man kann seinen Accountnamen von dort einfach mit rübernehmen zu Threads, das hat was Heimeliges. Womit wir bei drittens wären: Bei Insta ist man ja nett zueinander. Zumindest im Vergleich zur an Stalingrad angelehnten Atmosphäre bei Twitter oder – Achtung: Facebook.

Facebook hingegen ist ja nun wirklich kein Vergnügen mehr, und zwar seit Langem. Da beschmeißen sich seit geraumer Zeit diejenigen gegenseitig mit Dreck, die es nicht rübergeschafft haben zu Twitter. Vergangene Woche erzählte eine kanadische Journalistin, dass ihr Arbeitgeber nur bei Instagram voll mitmische. Auf Twitter mische er gar nicht erst mit, und bei Facebook habe er die Kommentarfunktion deaktiviert.

Facebook gehört aber ja nun genauso zu Meta wie Instagram. Heißt: Zuckerberg hat den Hass genau so wenig im Griff wie Musk. Klar, er ist nicht halb so erratisch und viel berechenbarer als Musk. Das ist aber nicht schwierig. Musk hat Twitter aus einer Bierlaune heraus gekauft und wundert sich nun anscheinend, dass das Bierzelt aus immer lauter grölenden Leuten besteht, die zwar für den Haken zahlen – für deren Daten aber werbetreibende Unternehmen womöglich nicht so gerne zu zahlen bereit sind.

Zuckerberg, das will ich damit sagen, macht Elon Musk nicht automatisch zu Julian Reichelt: Seit dessen Rausschmiss bei der Bild gilt die einigen plötzlich als nicht schlimm. Und das ist ja Quatsch.

Ich bin jedenfalls äußerst gespannt auf Threads. Ob und wenn ja, was Zuckerberg aus den eigenen Fehlern und denen von Elon Musk gelernt hat. Oder ob wir am Donnerstag einfach noch eine Hassmaschine mehr haben. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Man wird ja noch träumen dürfen!

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„Darüber kotzt das Netz“

Friedrich Merz war im Krankenhaus, berichtetet er am Ostersonntag auf Twitter. Keine Sorge, dem CDU-Chef geht es gut. Er begleitete die Frühschicht auf der Intensivstation des Klinikums Hochsauerland als Hospitant. Merz wäre ein schlechter Politiker und hätte keine Ahnung von guter PR, würde er seinen Tweet nicht mit der Beteuerung garnieren, er sei „nicht als Politiker, sondern als Teil des Pflegeteams“ dabei gewesen.

Das ist natürlich Quatsch, aber wie gesagt: Das gehört zum guten Handwerk, sich bescheiden geben zu wollen.

Was zum journalistischen Handwerk gehören kann, ist, darüber zu berichten. Man könnte zum Beispiel – gerade an traditionell vor allem innenpolitisch eher nachrichtenschwachen Tagen wie Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag und Ostermontag – hinterfragen, ob ein solcher Einsatz Sinn ergibt. Wo Politiker vielleicht auch mal reinschnuppern könnten, um Entscheidungen auf Grundlage praktischer Erfahrungen zu treffen. Um Notstände mit den eigenen Augen zu sehen. Man könnte mal gucken, wer schon mal wann wo wie als „Parkitkant“ war. Ob sich Reden, Missstände, Einstellungen dadurch verändert haben.

Was zum journalistischen Handwerk nicht gehört: Einfach nur eins zu eins nacherzählen, dass Friedrich Merz im Krankenhaus eine Schicht lang mitgelaufen ist. Das ist dann nämlich auch PR. Und eben kein Journalismus.

Was man ebenfalls nicht tun sollte: Den fast schon obligatorischen Text darüber schreiben, wie „das Netz“ reagiert. Denn das ist schrecklich langweilig. Und was man – ich schreibe dies aus gegebenem Anlass – tunlichst vermeiden sollte, wenn man sich schon für diese „Schnell und billig“-Simulation von Journalismus entscheidet: Einfach random irgendwelche Accounts zitieren, die sich über Merz‘ Tag als Praktikant lustig machen – zumindest dann, wenn es wirklich lediglich einer Mini-Recherche auf einfachstem Niveau bedarf, um eins festzustellen: Ein zitierter Account-Inhaber gehört einer Partei an – und zwar nicht der CDU, sondern zum Beispiel den Grünen – und postet zu 99% Inhalte, die Initiativen, Reden und Forderungen der eigenen Leute weitestgehend völlig frei von auch nur leisester Kritik bejubeln. Also handelt es sich um jemanden, den man auch mit Blick auf sein Agieren in den sozialen Medien als „Parteisoldaten“ bezeichnet. Seine Einschätzung von Merz‘ Einsatz, die natürlich nicht allzu positiv ausfällt, einfach Wort für Wort abzutippen oder einzubetten, ist nichts anderes als – ganz genau: PR. Peinlich.

Wo wir schon mal dabei sind: Auch eher unglücklich ist die Textgattung „Aufregung im Netz“. Und trotzdem finden sich genau solche Geschichten so gut wie jeden Tag auf den einschlägigen Nachrichtenseiten. Warum? Weil es JEDE SEKUNDE Aufregung im Netz gibt. Und zwar zu ZIRKA JEDEM THEMA. Es ist nichts Besonderes und besitzt deswegen eine Aussagekraft von stark gegen null tendierend. „Hund beißt Mann“ 2.0 ist das.

Als wäre das nicht schon Argument genug gegen diese Geschichten, fehlt auch hier häufig die Zeit, das Geld, vielleicht auch der Wille, genauer hinzuschauen. Einzuordenen. Meine Lieblingsgeschichte seit vielen Jahren ist in diesem Zusammenhang die mit Julia Klöckner und Nestlé. Klöckner, damals für die CDU Bundesverbraucherministerin, postet auf allen dankbaren Social Media-Kanälen ein Video von sich und dem Nestlé-Chef Deutschland. Das wirkte auf nicht Wenige etwas befremdlich und zu werbig. Und mit „nicht Wenige“ meine ich nicht „das Netz“. Auch aus ihrer eigenen Partei meldete sich die ein oder andere, sagen wir mal: nachdenkliche Stimme.

Wie immer, meldeten die sich auch „im Netz“. Und wie immer, mischten sich unter die nachdenklichen auch die obszönen Stimmen. Die, die man im analogen Leben sehr schnell rausfiltern würde als nicht aussagekräftig, weil in Duktus und Habitus einer am Diskurs eher nicht interessierten Minderheit angehörig. Natürlich wurde Klöckner auch als „Hure“ bezeichnet. Es gibt kaum eine Tat oder Äußerung von Frauen mit einigermaßen Reichweite, auf die nicht einer oder mehrere Primitivlinge reagieren. Das ist überhaupt nicht in Ordnung; ich gebe so etwas zum Beispiel immer weiter an meine Anwälte. Nur weil ein paar Leute charakterlich abgenutzt sind, sollte man nicht auch Abnutzungserscheinungen bei sich selbst hinnehmen und solchen Ausfällen qua Gewöhnung nur noch mit müdem Achselzucken begegnen. Meine Meinung. (Und nein, Herbert648492, ich habe nicht zu viel Zeit. Ich nehme sie mir, um solche Unverschämtheiten nicht einfach hinzunehmen.)

Eine der wirklich großen Websites nutzte den Ärger um Klöckners Video für einen „So reagiert das Netz“-Text. Und zitierte quasi an erster Stelle den „Hure“-Tweet. Den jemand abgesetzt hatte, der nicht nur über keine Kinderstube verfügte, sondern auch über so gut wie keine Follower, keinen Klarnamen und kein Profilbild. Der Tweet hatte zudem bei anderen Usern weder Applaus noch Entrüstung hervorgerufen. Entweder hatte ihn schlicht und einfach niemand gesehen, oder aber man hatte ihn ignoriert. So wie man den grölenden Typen in der Fußgängerzone ja auch ignoriert. Weil der immer grölt und keinen Einfluss auf irgendwas hat außer auf die Dezibelzahl.

Da müsste man sich ja eigentlich als Journalist als Allererstes fragen: Wofür steht dieser Tweet? Welche Denkrichtung repräsentiert er? Für welche relevante gesellschaftliche Strömung spricht der Urheber? Antwort: Für keine. Der Tweet stammte nicht von einem prominenten Vertreter einer anderen Partei, sodass man mal die Frage stellen müsse, wohin der politische Diskurs eigentlich perspektivisch qualitativ steuert. Er stammte nicht von Til Schweiger, bei dem sich diese Frage ja auch seit einiger Zeit stellt. Cathy Hummels war nicht dran beteiligt, auch von keinem Nestlé-Mitbewerber. Dahinter steckte nicht die damalige Kanzlerin, was natürlich tatsächlich auch einen gewissen News-Wert besessen hätte – also, warum zitiert man ausgerechnet diesen Tweet, wenn es nirgendwo im Text um die generelle Verrohung unserer Gesellschaft geht?

Das ist eine rhetorische Frage. Die Antwort darauf lautet natürlich: Klickbait. Seien wir mal ehrlich: Am Liebsten würden die Seiten ihre Geschichten mit „Darüber kotzt das Netz“ überschreiben. Das aber verbietet der Anstand. Also zitiert man die unappetitlichen vebalen Ausscheidungen diejenigen, die über eben jenen nicht verfügen und erhofft sich so viele Leser und in Folge viele zahlende Werbekunden.

Und im Nebenzug erweist man in diesem konkreten Falle Julia Klöckner noch einen Gefallen. Was ihr gewieftes Team nämlich wusste: Eine solche falsche Gewichtung ist die exakt richtige Vorlage für eine tiptop Verteidigungsstrategie. Wenn nämlich schon bei den Profis in der Redaktion von xy.online ganz offensichtlich wenig Wissen darüber herrscht, wie repäsentativ dieses Gepöbel für die laufende Debatte „im Netz“ ist – dann wissen die Leute da draußen das erst recht nicht. Also sprach die Ministerin, der zu große Nähe zur Industrie und zu großer Abstand zu den Verbrauchern vorgeworfen wurd,e von „Hatern“. Und versuchte so, die Debatte downzugraden auf das, was ja eh immer „im Netz“ los ist: Hass, Häme, substanzlose Kanalisierung von orientierungsloser Unzufriedenheit.

Das Netz kotzt. Und Kenner des Netzes gleich mit.

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Twitter Blue – aka: Happy Women’s Day!

(Kitschiger ist schwierig.)

Eigentlich wollte ich das in der nächsten Kolumne verbraten, aber es ist erstens zu nischig, als dass es die Leserschaft von tonline über die Maßen interessieren dürfte (ich möchte da ehrlich sein: Warum sollte ich mir meinen erfreulichen Klick-Schnitt versauen?), und zweitens ist es auch zu amüsant. Es brennt mir unter den Nägeln, also jetzt schon mal. Hier in Berlin ist Feiertag (und allein die Tatsache, in diesem Bundesland zu wohnen und andersrum als sonst IMMER einen Feiertag zu haben, während andere den nicht haben, ist für mich Motivation genug, das mal schriftlich festzuhalten), ich warte auf Rückrufe aus STÄDTEN, DIE HEUTE KEINEN FEIERTAG haben, also hab ich Zeit und nutze sie. Kurz zum Anlass des Feiertages, DEN NUR WIR HEUTE HABEN: Es ist Frauentag. Natürlich diskutiere ich Sinn und Unsinn nicht, ich schreibe ja auch keine peinlichen Bücher über supertolle Männer, die viel Geld und Macht haben. „Rage bait“ las ich heute irgendwo dazu als Überschrift, und nickte heftig. Ich glaube, mit jeder Rezension, und sei sie noch so beschämend für die beiden Autorinnen, erreichen diese plus der aus sicherlich guten Gründen nicht ganz so namhafte Verlag dahinter ihr Ziel.

(Sieh mal eine an: Ich dachte, ich hätte nicht mehr so Lust zu bloggen, und nun zerfasere ich. Womöglich ein Schrei meines Unterbewusstseins, doch wieder regelmäßiger hier zu schreiben. „Aber stell mal auf Schwarz-Weiß um“, sagte jüngst Lieblingscutterin Annette, womit sie nicht die inhaltliche Ausrichtung meinte, sondern die optische. Ich weiß, sie hat Recht. Muss aber noch mal kramen, wie ich einst das aktuelle und nicht so lesefreundliche Layout einstellte.)

Zurück zum Thema (ha ha, als wäre ich da schon gewesen. Aber: Mein Blog, mein Langatmigkeitsgrad.). Heute ist Frauentag, und nachdem ich vergangene Woche von einem Freund gesagt bekam, ich würde ja „echt gut aussehen im Video zum Podcast von Stephan Anpalagan“, hat sich meine Ratlosigkeit noch mal vergrößert. Ich hab nix dagegen, gut auszusehen, so isses ja nicht. Aber erstens ist das unser gemeinsamer Podcast (wenn Sie hören möchten: hier entlang, wir freuen uns!), und zweitens: Ach, muss ich ja sicher nicht erklären. Oder lieber doch, mit einer Analogie: Ich möchte bitte zum Frauentag keine Rose und ne Flasche Prosetscho. Danke.

Nun, der Freund sei hiermit entschuldigt, er hat viel um die Ohren. Werfen wir lieber mal einen Blick auf Männer, die ich auch in allergrößter sozialer Not und Bedürftigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie als meine Freunde bezeichnen würde: die Nutzer von Twitter Blue. Ich habe gleich mehrere Fragen und empfehle, sie sich in einer Stimmlage zwischen Belustigung und Baffheit vorzustellen.

Leute, was sind denn das für Menschen? Und, Stichwort Bedürftigkeit: Wie nötig kann man es haben? Sowie: Wie wenig Gespür kann man denn für Bumerang-Effekte besitzen? Man wirkt ja nicht relevant, wenn man das Ding besitzt, sondern wie jemand, der so gerne relevant wäre und das obendrein festmacht an so einem Haken. Streisand-Effekt trifft auch zu, fällt mir auf. Weiter. Für wie doof hält man denn auch andere Leute, dass man glaubt, die lassen sich von so einem Ding blenden und nehmen plötzlich an, dass Inhalte dahinter zurückfallen? Letzte Frage: Warum sind das fast alles Männer?

Kurz was anderes: Kennen Sie den Begriff „Schnitzelkind“? Das meint dermaßen unbeliebte Kinder, dass man ihnen ein Schnitzel um den Hals hängt. Dann spielen wenigstens Hunde mit ihnen. Keine Ahnung, wie ich da jetzt drauf komme.

Happy Frauentag!

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Christine Lambrecht

So wie es aussieht, geht Christine Lambrecht. Nein, sie geht nicht, sie tritt. Zurück. Nachzutreten wäre jetzt billig. Es lassen sich aber Lehren ziehen aus ihrem Social Media-Verhalten als Ministerin. Denn gestolpert ist sie (auch) darüber.

Erstens: Überlegen, warum man Social Media nutzt.

Zweitens: Social Media ist in einem Punkt anders als klassische Medien: Man kann die Leute von dort aus lockerer ansprechen. Man sollte sie sogar lockerer ansprechen. Es bringt weder Usern und – daraus folgend – noch Accountinhabern Zusatznutzen, wenn auf Twitter oder Instagram genau so kommuniziert wird wie in mündlichen oder schriftlichen Pressestatements. Die gute Nachricht: Der Grat zwischen „locker ansprechen“ und „sich anbiedern“ ist nicht so schmal, dass man zwangsläufig ausrutscht. Das Schlüsselwort lautet „authentisch“. Kein schönes Wort, ich weiß. Abgelutscht und oft missbraucht, aber: Kein Wort beschreibt Authentizität besser als „authentisch“.

Drittens: Social Media ist auch in einem anderen Punkt anders als die klassischen Medien: Niemand erwartet perfekte Ausleuchtung, das sterile Ambiente eines Fernsehstudios, fancy Schnitte oder sonstige Perfektion. Einzige Ausnahme: der Ton im Sinne von: Akustik.

Viertens: Der Inhalt muss aber sitzen. Spontan, impulsiv, authentisch – sie alle sind nicht das Gegenteil von „nicht perfekt“. Dieser Irrglaube hält sich hartnäckig. Sich beispielsweise als Ministerpräsident an einer Tanke zu filmen, ohne Stab, ohne Jacket, ohne Krawatte, dabei wütend zu wirken, als wäre diese Aktion eine spontane, impulsive Handlung ohne Vorbereitung, ohne Strategie, ohne Kalkül – das wirkt, wenn man es gut macht, authentisch. Verunglimpft man aber in diesem Video unabsichtlich Menschen, die wenig Geld verdienen, das ist peinlich – und, ganz pragmatisch: strategisch relativ schlecht. Dann gab es womöglich wirklich kein Drehbuch. Und keine Beratung im Vorfeld.

Und damit sind wir bei Punkt 5: das Vier-Augen-Prinzip. Hat sich über Jahrhunderte bewährt, lange vor Social Media. Und besitzt weiterhin Gültigkeit aus naheliegender Gründen. Am besten lässt man jemanden drüber schauen, der einem wohlgesonnen ist und dementsprechend ehrlich. Und sagt: „Besser, du sprichst nicht ausschließlich über dich, wenn du den Krieg in der Ukraine erwähnst, und über die Vorteile, die er dir gebracht hat. Die Leute könnten das richtig falsch verstehen.“

Sechstens: Die Vier-Augen-Regel ist nicht so wichtig, weil: Ist ja nur Internet? Genau deshalb nicht. Nichts versendet sich mehr, wie man lange zu sagen pflegte – und nichts sendet sich dermaßen unkompliziert ganz schnell weiter, potenziert, wie ein Video oder ein Post aus dem oder im Web. Goldene Regel deshalb: Social Media nie unterschätzen – und ebenso wenig die Leute, die sich damit beschäftigen. Weder die Profis (selbst, wenn sie 40 Jahre jünger sind als man selbst. Die kennen keine Welt ohne), noch die Konsumenten. Und erst recht nicht die Wucht.

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Nicht Musk ist das Problem. Wir sind es.

Es ist noch nicht raus, ob Elon Musk nun aufhört als Twitter-Chef oder nicht. Obwohl ich nicht langsam tippe, kann das bis zum Ende dieses Beitrags schon anders aussehen. Zu schreiben, dass Musk erratisch handelt, lässt mich nach nur sieben Wochen mit dem Milliardär an der Spitze des sozialen Netzwerks vor Langeweile beinahe in Sekundenschlaf fallen. Es ist eine Binse, trotz der Kürze der Zeit, in der er dies unter Beweis stellt.

Vor allem aber ist es egal, ob Musk weiter die Geschicke lenkt oder nicht. Es wäre sogar egal, wenn er den Laden direkt wieder verkauft. Denn ein paar Lehren, die wir aus dem Desaster ziehen können, haben wenig mit ihm zu tun. Sondern mehr mit Usern. Egal, wo sie sich tummeln. Und diese Lehren verheißen nichts Gutes.

1. Wir Menschen sind unfassbar naiv. Bis heute finden sich Fanboys (wenn auch in mittlerweile massiv geschrumpfter Zahl), die einen Plan sehen. Ganz zu Beginn der Musk-„Ära“ antwortete jemand auf meinen Tweet, er sei wirklich erstaunt, dass so viele Journalisten die Strategie hinter Musks Vorgehen nicht erkennen würden. Ich bin froh, dass so gut wie keiner der Journalisten, die ich vorher ernstgenommen habe, diese Strategie erkannt haben. Es gibt nämlich keine. Das räumt inzwischen sogar Frank Thelen ein, obwohl der sich in den vergangenen Wochen nicht minder blamiert hat als „Elon“, wie er ihn, beharrlich peinlich Augenhöhe suggerierend, nennt.

2. Wir Menschen bleiben naiv. Nun gehen also ein paar zu Mastodon. Weil dort angeblich alles besser ist als bei Twitter. Da war aber auch so gut wie nie alles gut – dazu gleich mehr – und noch wichtiger: Mastodon weist eklatante Mängel auf. Wie Ann Cathrin Riedel in ihrem Newsletter schreibt, fällt Mastodon zurzeit weder unter das NetzDG noch gilt der DSA.*

Dass intransparent und insofern demokratisch wenig legitimiert ist, wer wann wieso gesperrt wird, wurde ja inzwischen schon öfter betont.

3. Wir Menschen haben kein gutes Mittel- bis Langzeitgedächtnis. Beim Studium der aktuellen Berichterstattung über Twitter unter Musk gewinnt man den Eindruck, dass unter Jack Dorsey alles tippitoppi war. Hass und Hetze Randphänomene, Bots ein zu vernachlässigendes Problem, der Kampf der Plattform gegen solche Auswüchse im Großen und Ganzen erfolgreich. Kurz und knapp formuliert: Es war alles gut, jetzt ist alles schlecht. Das ist halt Quatsch. Es war nicht allzu gut, vieles war überhaupt nicht gut, und jetzt ist es schlimmer geworden.

Unterm Strich macht das nicht viel Hoffnung, zumal keine Alternative zu Twitter am Horizont erscheinen mag. Wie weit wir von der in den letzten Wochen so oft herbeigewünschten zum Beispiel öffentlich-rechtlichen Gegenlösung entfernt sind, zeigt das Streitgespräch im aktuellen Spiegel zwischen Noch-ARD-Chef Tom Buhrow und seinem Nachfolger, SWR-Intendant Kai Gniffke: Der sagt doch allen Ernstes, der ÖRR dürfe sich nicht abhängig machen von sozialen Netzwerken. Tja. Schade. In Teilen ist dieser Zug längst abgefahren.

Macht aber nix: Es ist schwierig, in diesen Tagen altbacken zu wirken – zumindest neben dem Ministerium für Infrastruktur und – ACHTUNG: Digitales! – von Sachsen-Anhalt: Das hat sich vergangene Woche einen Twitter-Account zugelegt. Keine Ahnung, wie ich jetzt drauf komme, aber ich hätt mal wieder Lust auf „Good Bye Lenin!“

* Eine sehr lesenswerte Ausgabe, wenngleich ich über zwei Punkte gestolpert bin: Erstens ist die Ursache für das AquaDom-Desaster noch nicht geklärt. Und zweitens geht die Arbeit von uns Journalisten über das bloße Schreiben ja sehr hinaus, weswegen ich die Fragestellung zu ChatCPT irreführend und kurz gegriffen finde.

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2022, an zwei Schicksalen erzählt.

Margit.

Margit ist eine liebe Bekannte in den Sechzigern. Zwei ihrer Kinder und vier Enkel leben in Japan. Letztes Jahr (Corona) musste Margit zittern und dann sehr kurzfristig abreisen, um ihre Liebsten über Weihnachten sehen zu können: Die japanische Botschaft rief sie an und sagte: „Sie haben ja Ihr Visum. Reisen Sie lieber jetzt, das Zeitfenster schließt sich vermutlich schnell wieder. Bald kommt niemand mehr rein!“

Dieses Jahr ist das nicht so kompliziert. Japan ist auch gelassener geworden, die Zahlen und die Schwere der Infektionen geben das aus Sicht der Regierung her. Heute Morgen ist Margit abgereist in Richtung Tokio. 15 Stunden wird sie insgesamt in Flugzeugen sitzen. Dazu gleich noch mehr.

Eigentlich wollte sie sich am Samstag von ihrem dritten Kind, ihrem Sohn, und seiner Familie, die hier in Berlin leben, verabschieden. Ging nicht: Seine Frau und alle drei Kinder haben seit einer Woche 40 Fieber. Kein Arzt kommt. Ins Krankenhaus wollen sie nicht, weil ihnen dort nach Aussage am Telefon bis zu 12 Stunden Wartezeit drohen. Die Familie hat ein Wochenendhaus auf dem Land. Werde es bis Mitte dieser Woche nicht besser, packe er die vier Patienten ins Auto und fahre mit ihnen dort hin, sagt Margits Sohn. Dort seien die Kliniken und Praxen vielleicht nicht so überlaufen. Hier in Berlin müsse man in Anbetracht einer Warteschlange auf dem Bürgersteig inzwischen schon raten: Kinderarztpraxis oder Wohnungsbesichtigung?

15 Stunden also wird Margit unterwegs sein. Normalerweise kostet sie die Reise neun Stunden. Jetzt aber herrscht Krieg. Die Route spart Russland aus.

Anna.


Anna ist meine Friseurin. In den Hochzeiten von Corona wurde es eng für sie. Der Laden verschlang weiterhin Miete, brachte aber keine Einnahmen. Anna schrieb ihre Kunden irgendwann an und bat um Spenden, um den Salon weiter halten zu können. Es klappte.
Anna öffnete den Laden wieder, als es ging. Verlor eine Mitarbeiterin, die sich inzwischen anderweitig orientiert hatte. Nicht innerhalb der Branche; sie arbeitet jetzt nicht mehr als Friseurin. Eine gute Nachfolge fand Anna nicht. Der Fachkräftemangel – und: die hohen Mieten. Die sind dort, wo Annas Laden sitzt, sehr hoch. Anders als das Einkommen als Friseurin. Sprich: Die Arbeitswege sind weit. Da fangen die Leute lieber im Salon im selben Kiez an, in dem sie auch wohnen.

Und auch als es keine Lockdowns mehr gab, gab es dennoch noch Corona. Kunden, die sehr kurzfristig absagten. Also unabsehbare Einnamen bzw. wegbrechende Einnahmen. Anna legte deshalb ihre Kunden immer möglichst auf einen Tag. Und wenn dann in der Kita ihrer kleinen Tochter wieder Ausnahmezustand herrschte und Anna ihr Kind zu Hause betreuen musste, brach direkt ein Batzen Geld weg.

Dann kam die Energiekrise. Anna musste die Preise erhöhen. Und hatte wieder Sorgen, dass Kunden das nicht mitmachen.