Der ewige Zweite

Der ewige Zweite

Gerade an der Kasse im Drogeriemarkt entfaltete sich vor meinem Auge bereits die nächste Jahres-Wegmarke in Form von Schminke und Luftschlangen: Karneval. Ich hab Weihnachten noch gar nicht so richtig hinter mir gelassen, aber wir sind ja eine Gesellschaft, die nach vorn blickt. (Das predigen vor allem politisch Verantwortliche. Und zwar vor allem immer dann, wenn sie gerade großen Mist gebaut haben. Aber gut.)

Wir hangeln uns so durch den Kalendar, Traditionen vor uns, die wir entweder pflegen oder brechen – egal, sie sind Orientierungspunkte. 1. Januar ist auch so einer. Alles frisch, alles neu, das Jahr noch unbefleckt vor uns. Der 1. Januar ist ein besonderer Tag. Wie ich finde, allerdings ein bisschen zu unrecht.

Denn am 1. Januar befinden sich ja viele Menschen im Delirium bzw. in dem, was sie durch das in vollem Bewusstsein am Vorabend selbst angezettelte Delirium nun als Preis dafür zahlen. Mein Opa, Oppa Fritz, hatte am 1. Januar Geburtstag, und sagte mal, das sei ein sehr undankbares Datum, weil kein Mensch an diesem Tag zum Feiern zu bewegen sei.

Ich finde, der 2. Januar wird vollkommen unterschätzt. Da ist man wieder bei Kräften. Da kann man auch dann Sport machen, wenn man sich am Silvesterabend hat hinreißen lassen. Wer geht denn auf eine rauschende Silvesterfeier und hält sich den Abend über einzig und allein aus dem Grund an Cola fest, weil er am nächsten Tag ins Gym gehen will? Richtig: Die Leute, die dann spätestens ab Februar nicht mehr im Gym gesichtet werden.

Nein, der 2. Januar, das ist der Neujahrstag des aufgeräumten Mannes und der sich selbst (und dadurch automatisch auch seine Umwelt) realistisch und mit der menschlich ausgewogenen Mischung aus Pflichtbewusstsein und gütiger Nachsichtigkeit behandelnden Frau. (Ich unterschiede ausdrücklich hier nur zwischen Mann und Frau, um beide unterzubringen; no Geschlechterklischee-pun intended.)

Am 2. Januar ist man wieder bei Kräften, kann einkaufen gehen, auch so Profanes wie Klopapier. Das echte Leben kehrt ein, eine Art Alltag nach all den außergewöhnlichen und aufgeladenen Feiertagen. Deshalb halte ich den 2. Januar für ebenso unterschätzt wie so viele andere 2.

Der zweite Weihnachtstag zum Beispiel, nehmen wir mal den. Da hat man die Kernfamilie plus die erweiterte Familie allmählich abgeklappert. Man schielt schon mal vorsichtig in Richtung bequeme Sachen und kann die Gans allmählich nicht mehr sehen. Man greift in der Küche schon mal ins Glas mit den eingelegten Gurken, um einen Kontrapunkt zu setzen zur guten Schokolade. Wasser wird auch schon mal wieder aus den alten Senfgläsern getrunken. Das Stichwort lautet: Entspannung.

Über zweite Sieger ist schon viel geschrieben worden, dazu, braucht es dieses Blog nicht, und auch Zweitgeborene wurden bereits vor Prinz Harry hinreichend analysiert. Es ist kein Wunder, so viel darf ich aber noch beisteuern, dass sie oft die entspannteren Erwachsenen sind. Ausnahme bin, hüstel, selbstverständlich ich. Oft sind die Erstgeborenen ja auch die Bescheideneren 😉

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen schönen 2. Januar. Vor allem meinem alten Freund Martin. Der hat heute Geburtstag.