4. Mai 2022

4. Mai 2022

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In der Linkspartei ist Schlachtfest. Schlacht im doppelten Wortsinne: Das, was wir da lesen, ist ja verbaler Krieg innerhalb einer Partei. Gleichzeitig wird mehrlei gemeuchelt, vor den Augen einer staunenden Teilöffentlichkeit, die das Nischenmedium Twitter nutzt: Anstand, Respekt, der Ruf der Linken – und der eigenen.

In den vergangenen Wochen hab ich das ein- oder andere Mal überlegt, ob ich nicht falsch liege mit meiner Appell an alle, die sozialen Medien zu nutzen, um den extrem agierenden Rand dort zu schwächen. Um die Hater zu übertönen. Und mit meiner Analyse, dass Transparenz auch politisch Handelnder per se eine gute Sache ist.

Zum einen kam ich ins Nachdenken, weil das Beifallheischende beim ein oder anderen anfing, zu nerven. Als bei Markus Lanz noch Zuschauer im Studio saßen, konnte man bei vielen Talkgästen an Gesichtsausdruck, Satzbau und Pausensetzung nach einer Aussage peinlich genau erkennen, dass sie jetzt Applaus erwarteten, weil einkalkuliert hatten. Dann kam Corona, das Publikum musste zu Hause bleiben mit maximal einem anderen Haushalt, Kinder unter 14 zählten nicht, und die Atmosphäre des Talks änderte sich.

Manche schienen in den sozialen Netzwerken ein gutes Ausgleichsinstrument gefunden zu haben. Das hat einerseits Vorteile für die Mitlesenden, denn in aller Regel lässt sich das Klatschen bei Twitter etc. gut zuordnen. Kommt er von Parteifreunden, zieht man diesen Faktor eben ab. (Bei der Linken muss man das vielleicht noch mal überdenken, da scheint sich der Umgang miteinander ja an völlig anderen Maßstäben zu orientieren. Das stellt sogar die AfD in den Schatten, und da gehen die Lager auch nicht gerade zimperlich miteinander um.)

Andererseits ist Applaus bei Twitter und Co. ja Massenware. Ich meine nicht nur den für komplette Ausfälle, ich meine auch Tweets, die auf „Ich gehe jetzt mal schreien“ oder anderen Phrasen enden. Unterkomplexität zieht auch meistens ganz gut.

Zum anderen kam ich ins Nachdenken, weil ich nicht abzuschätzen vermag, wie viel Schaden Dialoge wie der oben zitierte bei ohnehin politikverdrossenen Leuten anrichtet. Aber das ist ja Quatsch. Wenn es so ist, denn ist es eben so. Warum sollen die Wähler glauben, es läuft, wenn man einander bisher hinter den Kulissen mit Gülle übergießt? Menschen haben ja ein Recht auf Wissen. Mit den plumpen, aber harmlosen Tweets, die auf billigen Beifall setzen, kann man ja leben. Und: Die sagen ja auch was aus, liefern also quasi Metadaten. Bei Lanz will man übrigens dauerhaft auf Publikum im Studio verzichten.

Zurück zum Ausgangspunkt und dem Recht auf Wissen und Bildung, man muss ja immer auch das Gute sehen: Was haben wir alle nun durch die obige, unappetitliche Episode gelernt? „Beleidigte Leberwurst“, wie der ukrainische Botschafter den Kanzler genannt hat, ist im Vergleich geradezu ein Kompliment. Hätte ich bis heute Morgen so auch nicht mit gerechnet.