Raus.

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Raus.

Lange nicht geschrieben, weil einen so schönen Urlaub gehabt wie noch länger nicht. Sehr viel länger nicht.

Am Abend vor der Abreise war das meine Aussicht, und größer hätte der Kontrast kaum sein können. Es folgten: Zwei Wochen von morgens bis spätabends permanent unter Menschen. In der Hitze. Auf der Liege. Im Pool. In der Hotelanlage. Ich habe nicht einen Schritt rausgesetzt, nichts gesehen vom Land. Und war trotzdem so was von draußen. Bücher, Liegen, Sport und Essen. Mehr hatte ich anscheinend nicht entgegengefiebert.

Eine Erkenntnis, und das wird schon immer so gewesen sein, nur nicht vorgedrungen bis zu meiner Wahrnehmung: Urlaube sind langgestreckte Jahreswechsel. Aus ihnen resultieren gute Vorsätze. Wie Silvester, nur ohne Böller-Debatte.

Eigentlich logisch, denn selbst wenn man auf die stumpfstmögliche Art Urlaub macht (siehe oben): Das Zuhause-Ich ist ja draußen. Auch dann, wenn man es in eine Ferienanlage einsperrt. Und dort entfernt es sich nicht nur von der heimischen Umgebung, sondern auch von Gewohnheiten. Den ausgelatschten Wegen. Den vom Dauergebrauch schon ausfransenden Abläufen.

„Ich nehme mir jetzt mehr Zeit für meine Kollegen“, hörte ich die Tage von jemandem. Auch dabei handelt es sich um einen während des Urlaubs gewonnenen Gedanken. Freundin C. hat im Urlaub festgestellt, dass sie ohne Alkohol besser schläft und auch aufwacht. Und Kumpel C. sucht jetzt nen Tennispartner. Ihm kam der Gedanke am Strand, dass das früher ja erstens Spaß gemacht hat und zweitens seinem Leben eine gute Struktur gegeben.

Ich habe einen großen Teil meiner Zeit in Italien mit Büchern verbracht, mit dicken Büchern, mit Romanen, und übe seitdem, wieder lange am Stück zu lesen. Ohne aufs Handy zu gucken. Vom Steigerungs-Prinzip her entspricht es meiner Anfangszeit als Joggerin, späte Nullerjahre. Zuerst schaffte ich 300 Meter, nach ein paar Tagen 1000 und dann immer mehr und mehr, Glückshormonausschüttung als Treiber, weil inbegriffen. Die Steigerung der Strecke, die ich Lesen schaffe, ohne aufs Handy zu gucken, verläuft ehrlicherweise sehr viel flacher. Kein Wunder; je weniger ich aufs Telefon gucke und Likes, Favs und anderen Klimbim erblicke, desto weniger Hormone, desto weniger Glücksgefühle. Der Mechanismus ist so simpel wie armselig wie schwer aufzuknacken.

Es ist so bitter. Erst lernt man und studiert und liest und bildet sich weiter und sucht sich kluge Leute für tolle Gespräche – und dann nimmt man das Smartphone in die Hand und lässt es erst um viertel vor Neandertalisierung wieder los. Und merkt nach ein paar Tagen, wie man ruhiger wird durchs Lesen. Und dass man zumindest für eine Zeit ein paar neue, wenngleich fiktive, Menschen um sich herum hat. Mit denen man sich beschäftigt, bangt, fühlt, sich freut, und die man vermisst, klappt man das Buch zu. Und trotzdem bin ich gerade bei 30 Minuten durchgängig lesen. Mickrigen 30 Minuten. Die Dialektik der Digitalisierung.

A propos: Hätte ich nicht den festen Glauben (und diesen auch an diversen Stellen unauslöschlich hinterlegt), dass wir alle uns dem Mob in den sozialen Netzwerken entgegenstellen müssen (müssen!) – ich hätte mindestens mein Twitter-Konto inzwischen gelöscht. Social Media kann einen tollen Nutzen haben, keine Frage. Es nervt aber auch unglaublich. Wir tun uns allen keinen großen Gefallen damit.

Mein Mittel dagegen ist ein weiterer Vorsatz, den ich im Urlaub gefasst habe: mehr Urlaub! Übermorgen schon. Nägel mit Köpfen!