Kurz mal einen raushauen

Kurz mal einen raushauen

Wer kennt es nicht: Follower, die mal eben eine Behauptung mit wegweisendem Effekt aufstellen, würde sie stimmen, die sich allerdings mit der billigsten aller „Recherchen“ (aka Google) binnen drei Sekunden widerlegen lässt und dann antworten: „Ach so, ja, wusste ich nicht.“ Aus Faulheit, selber einmal nachzulesen; aus Geltungsbedürfnis, das alle anderen Mechanismen stumm schaltet; aus Unwissenheit. Alles möglich.

Ich würde behaupten, Karl Lauterbach, Friedrich Merz und Hubert Aiwanger wissen, wie man recherchiert. Sie kennen nicht nur Google, sondern auch Wikipedia. Königsklasse der Recherche quasi. Und sogar Primärquellen – manchmal sind sie ja sogar Primärquellen. Man kann davon ausgehen, dass sie das politische Geschehen aufmerksam mitverfolgen. Manche Belange gestalten und entscheiden sie ja sogar mit.

Umso erstaunlicher ist es, dass Lauterbach nonchalant twittert, Deutschland befinde sich im Krieg. Einiges an dem, was manche als Rumeierei kritisieren und andere als bedachtes Handeln respektieren, geht darauf zurück, Deutschland nicht als Kriegspartei dastehen zu lassen. Da es nicht das erste Mal ist, dass Lauterbach auf eigene Faust das Medium etwas schlankerhand bedient, das sich seinen Aufstieg ins Bundeskabinett auf die Fahnen schreibt (und ihn mindestens einmal pro Woche als den Rücktrittskandidaten der Ampel anprangert, man kennt ja nur zwei Eskalationsstufen), können wir getrost davon ausgehen, dass dieser Tweet nicht mit dem Rest des Kabinetts abgesprochen war. Zumal die Verteidigungsministerin ihn ja auch eingefangen hat.

Man kann auch davon ausgehen, dass Friedrich Merz weiß, dass in der Ukraine Krieg herrscht. Er war ja selber schon vor Ort. Und dass man Behauptungen wie die, Flüchtlinge aus der Ukraine seien „Sozialtouristen“ nicht als gesichert erachten kann, werden sie zum Beispiel via WhatsApp oder Telegram verbreitet. Dass die Identitäre Bewegung da auch ein eher ein problematischer Ideengeber ist, müsste er auch wissen. Er wird den hiesigen Verfassungsschutzbericht ja aufmerksam verfolgen, die IB findet sich darin als gesichert rechtsextrem. Merz wird auch wissen, dass man eine solche Behauptung, so man sie verbreitet, ohne sie geprüft zu haben, bedauert, dann besser nicht auch noch twittert. Und dass, sollte man erstens so eine Aussage getan, sie zweitens mit einiger Verzögerung auch noch gepostet und dann drittens doch wieder gelöscht hat – auch das Löschen öffentlich zu sehen ist.

Hubert Aiwanger wiederum sollte wissen, wie man retweetet. Oder aber er sollte sich erklären lassen, wie man effektiv und eben nicht transparent zwischen Erst- und Zweitaccount hin- und herschaltet.

Alle drei wissen: Twitter ist eine super Plattform, will man das eigene Programm, Denken, Handeln verbreiten. Alle drei müssen aber auch wissen und befolgen: Man muss verantwortungsvoll mit den sozialen Medien umgehen. „Dabeisein ist alles“, das gilt hier nicht. Im Gegenteil. Man kann viel kaputtmachen. Nicht nur das eigene Image, indem man entweder als schlecht informiert, kompasstechnisch schlecht kalibriert oder einfach medial inkompetent gilt. Man kann Vorurteile schüren, man kann dünnes Eis weiter in Richtung Einbruch treiben, man kann zeigen, wie weit entfernt man von der medialen Lebenswelt vieler Menschen entfernt ist. Man kann zeigen, dass man Verantwortung nicht gewachsen ist.

Und wir alle wissen, wie schnell solche Fälle von der Person auf die gesamte Branche übertragen werden. Stichwort: Politikverdrossenheit. In einer Demokratie kein guter Effekt, vorsichtig formuliert.