Bluesky

Ich schäme mich, es zu schreiben – aber ich habe auch deswegen so lange nicht gebloggt, weil ich nicht den X-ten Beitrag darüber beisteuern wollte, wie gefährlich bösartig Elon Musk ist und wie sehr X unter ihm weiter verkommt. Eigentlich müsste man das Tag für Tag tun – aber erstens habe ich ja auch einen Beruf und ein Leben, und zweitens nutzt es sich dann auch ab. Vielleicht.

Nun aber ruhen ja alle Hoffnungen auf Bluesky. Letztes Wochenende sind die Nutzerzahlen dort explodiert. Musk hatte einen AfD-freundlichen Tweet mit einem DrüKo versehen, der sich eher nicht als Widerspruch verstehen lässt, und da war für Viele eine rote Linie erreicht. Sie machten rüber.

Bluesky sieht aus wie Twitter, und die Oberfläche funktioniert wie die bei Twitter, allerdings bisher ohne Videos und ohne GIFs, was ich aber beides verschmerzbar finde (zumal ich gerade auch verstärkt Instagram nutze. Da ist auch nicht mehr ohne Blocken möglich, über AfD oder Friedrich Merz zu schreiben, aber dazu wann anders vielleicht mehr.).

Der Unterschied zu Twitter: Die Arschlöcher, um Markus Beckedahl zu zitieren, sind nicht da. Noch nicht. Klar, da wird auch schon mitunter blöd gemoppert, aber das Verhältnis Twitter – Bluesky in punkto inakzeptables Verhalten ist in etwa wie das von Stalingrad zu Stars Hollow. Da gibt es ja bekanntlich einen Taylor. Taylors gibt es überall und gab es auch schon vor Musk bei Twitter (und Schlimmere). Jetzt aber wirken die Taylors im Vergleich wie Engel. Wie die Engel der Engel. Wie potenzierte Engel.

Ein weiterer Unterschied und ein Grund für das Stars Hollow-hafte: Bluesky-User wird momentan nur, wer einen Invite Code geschickt bekommt. Hat den Vorteil, dass von Seiten Blueskys nachvollzogen werden kann, wer Wüteriche reingelassen hat. Oder man kommt rein über eine Warteliste. Ein bisschen wie einst bei Clubhouse. Nur eben, dass hier nix Neues stattfindet. Und, dies ein Unterschied zu Mastodon: nix Nutzerunfreundliches. Es geht hier nicht darum, das eigene Nerdtum und Desinteresse an Traffic möglichst demonstrativ (und zwar mithilfe von möglichst viel Traffic) zur Schau zu stellen. Im aufwändigen Bemühen darum, denkbar wenig bemüht zu wirken, kommt Mastodon Berlin sehr nahe. Hier in der Hauptstadt treiben Leute ja immensen Aufwand, um maximal ungestylt rüberzukommen.

Gut. Kommen wir zurück zu Bluesky. Da ist es nett, da ist es normal. NOCH. Denn je schneller eine Plattform wächst, desto mehr wollen mitmachen. Aufwärtsspirale bei den Zahlen, Abwärtsspirale beim Niveau. Isso. Kann man nicht ändern. Es sei denn, es wird hart durchgegriffen bei der Moderation. Nur: Das bringt ja weniger Geld. Erstens kosten Moderatoren dies, zweitens erzeugt Wut ja die größte Aufmerksamkeit, Verweildauer, Daten, Werbekunden – wir kennen das alles. Und ob es bei, edlen Vorsatz bleibt, sich dem Algorithmus-Wahnsinn in seiner bisherigen Form zu verwehren – ich möchte, kann es aber nicht so recht glauben.

A propos kennen: Da wir das ja alle kennen, können wir zumindest einen Teil (mehr nicht, da mach ich mir keine Illusionen) dazu beitragen, dass der Irrsinn zumindest eingedämmt wird. Ich blocke schon jetzt ruckzuck, mute auch schnell bei Bluesky. Seien es Leute, die schon auf Twitter genervt haben durch Feuerlegen. Oder Leute, die mir doof von der Seite kommen. Da ist die Reaktionszeit durch jahrelange Social Media-Erfahrung inzwischen sehr verkürzt.

Es wird also nicht lange so sein. Ich genieße die Zeit, die noch angenehm bleibt, und dann ploppt ohnehin wieder das nächste Ding hoch. Wir verteilen uns auf immer mehr Dienste und lästern über die jeweils anderen. So sieht sie aus, die Zukunft. Ein bisschen Stars Hollow, ein bisschen Berlin – und ziemlich viel Stalingrad. Leider.