7. April 2022
Niemand will Fräulein Rottenmaier sein. Fraäulein Rottenmaier ist die böse, strenge, kalte, herzlose Gouvernante der Familie Sesemann, bei der die kleine Heidi unterkommt und fast eingeht, weil ihr der Alm Öhi, ihr Freund Peter und die Berge so sehr fehlen.
Auch ich habe wenig Interesse daran, Fräulein Rottenmaier zu sein und so oft zu sagen und zu schreiben, wie stark manche die Atmosphäre in den sozialen Netzwerken vergiften, wie verbrecherisch faul diese darin sind, etwas dagegen zu tun. Ich hab da keine Lust drauf, vor allem nicht immer.
„Wir haben gestern ein Konzert gespielt – das hätten wir zu Beginn des Krieges noch nicht gekonnt, da waren wir noch zu geschockt“, hat heute der Frontmann einer Band zu mir gesagt. Das ist ein interessantes Phänomen, das ich auch an mir beobachte: Der Krieg bestimmt weiterhin das Denken, und mit jedem einzelnen Tag, den er weitergeht, wird es ja schlimmer: das Leid, die Zerstörung. Mit jedem Tag schwindet die Hoffnung derer, die es raus geschafft haben aus der Ukraine, aus dem Krieg, denen Tod, Verlust, Angst, das Hocken im Bunker erspart geblieben sind, heimzukehren und eine halbwegs heilgebliebene Welt vorzufinden. Eine Infrastruktur, die es ihnen und ihren Kindern ermöglicht, nach einer vielleicht nicht allzu langen Zeit ganz praktisch wieder halbwegs vernünftig zu leben.
Und mit jedem Tag, der vergeht, kehrt erstens in unser Bewusstsein der Alltag mehr und mehr zurück, denn er ist ja da und muss gelebt, organisiert, bewältigt werden. Zumindest für uns, die wir nicht direkt betroffen sind. Zweitens aber, das ist bei mir zumindest so, wächst auch das Bedürfnis nach Zerstreuung und nimmt die Scham ob des Gefühls und ob des ihm Nachgebens ab.
Was dabei hilft im Netz? Accounts wie der da oben. Sie werden mehr, oder ich habe inzwischen so viele abonniert, dass der Algorithmus mir mehr in die Timeline spült, das hab ich nicht überprüft, aber das ist ja auch gar nicht so wichtig.
Jedenfalls bastle ich jetzt sukzessive an einer Liste bei Twitter, der Sie gerne folgen dürfen, ich würde mich freuen. Mit Accounts, die ablenken, Quatsch posten. Quatsch so wichtig.