1. Mai 2022
Zirka alle fünf Jahre im Schnitt und über den Daumen gepeilt komme ich in irgendeiner Auseinandersetzung im echten Leben an den Punkt, an dem ich merke: Ich bin in Rage, es geht hier nicht weiter, ohne dass ich laut und/oder gemein werde. Zum Hulk. Bevor das passiert, sage ich lieber: „Ich diskutier das jetzt nicht.“ Und gehe. Das ist auch nicht nett, weiß ich, und souverän sieht auch anders aus. In einer idealen Welt würde das nicht passieren. In einer idealen Welt wäre ich aber auch perfekt, und machen wir uns nichts vor: Das wird nichts mehr. Es hätte sich längst abgezeichnet, verfügte ich über das Potenzial dazu.
In aller Regel diskutiere ich sehr gern, ausgiebig und viel. Ich bewege mich in einem beruflichen Umfeld, in dem Nicht-Diskutieren-Wollen unangenehm auffällt. Grundsätzlich finde ich alles Unausgesprochene bedrohlich, unangenehm, trennend. Lieber höre ich mir harte Kritik an als jemanden, der mir wichtig ist und dem ich wichtig sein möchte, hinter meinem Rücken tuscheln.
Nun ist Kritik aber ganz offensichtlich ein sehr relativer Terminus. Man sieht es beispielsweise an dem äußerst verwaschenen Meinungsfreiheitsbegriff, der ins Feld geführt wird von Leuten ohne Manieren und mit ganz viel Wut und noch mehr Interesse, andere in Sachen Geschmacklosigkeit, Brutalität und Primitivität noch zu übertrumpfen – oder zu untertrumpfen, alles eine Frage der Perspektive.
Da diskutiere ich gar nicht mehr. Da blocke ich. Lange wollte ich das nicht und stellte lediglich stumm. Die Leute konnten mir also noch folgen und antworten, allerdings wurde ich über ihre Reaktionen nicht mehr informiert. Das funktioniert ja im echten Leben auch: Merkt man, dass man an einen in Kombi mit einem selbst (inzwischen) undenkbaren Menschen geraten ist, trennt man sich, beendet die Freundschaft, bricht man den Kontakt ab. Und belässt es im Falle tiefer innerer Überzeugung auch dann dabei, wenn der andere Mensch Rückhol-Aktionen startet.
Der oben zitierte Tweet zeigt, warum Blocken gut und richtig ist: Es ist auch ein Signal an andere, dass hier diskursiv nichts mehr zu holen ist. Und sich Abwenden die einzig angemessene Haltung. In einer idealen Welt würde niemand blocken und würde auch niemand den Kreis derer beschränken, die zum Beispiel auf Tweets antworten dürfen. Aber machen wir uns nichts vor: Das wird auch nichts mehr.