30. April 2022

30. April 2022

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Der Tag danach am Ball danach. Den Tag danach fühle ich in Reinform mit allem, was dazu gehört: die innere leichte Verwirrung des Zeitgefühls wegen spät ins und spät wieder aus dem Bett kommen. Die Gnade mit mir selbst ob einer heute gesenkten Leistungsfähigkeit und -Bereitschaft. Die Sehnsucht, das alles heute Abend fortzusetzen, wo wir uns doch jetzt aneinander so angewärmt haben. Und der Wunsch, ein oder zwei Begegnungen sanft in eine noch schönere Richtung zu lenken.

Vor allem aber: große Freude, wie schön das war. Und wieder werden könnte.

Vorhin drehte ich eine kleine Spazierrunde um den Block. Man muss sich beim Körper ja dafür bedanken dafür, dass er so viele Stunden so viel gute Anstrengung mitgemacht hat (bei meinen Füßen ist noch Luft nach oben, man ist halt nichts mehr gewohnt, keine 20 mehr und selber schuld, wenn man Sitzschuhe auf einem Ball trägt, für den man nur eine Flanierkarte gekauft hat – und die noch nicht mal bezahlt…). Ich traf jemanden aus dem Sender, sehr passend zu meiner gestrigen Liebeserklärung an meinen Kiez. Er sagte: “Wie ich las, kommst du quasi gerade vom Presseball. Wie war‘s?“

Und ich konnte ihm erzählen von einem sehr herzlichen Ball. Ungewohnt herzlich. Zwar begegnen wir einander in Berlin nun auch nicht ständig aufs Schroffste bedacht, ich zähle durchaus herzenswarme, empathische und philanthropische Menschen zu meinem Umfeld (wir sind ja auch alle Zugezogene ;)). Aber das gestern Abend war oustanding. Mein Abend war ganz voller Wunder, so wundervoll.

Die Bekannte, die sagte: “Wie gehts dir? Und ich frage das mit der Bitte um eine ehrliche Antwort, wir sind ja schließlich Nicole und B.!“.

Freundin J., mit der ich lange zusammenstand, wir blickten beide von einer Galerie nach unten auf eine Tanzfläche und führten so ein ganz organisches Gespräch, wie man es nach fast 20 Jahren führen kann: Wellenförmig kamen wir von sehr ernsten und auch schweren Themen auf leichte. Wir lachten, wir nickten, wir versanken zwischendurch mal in uns selbst, nahmen den Faden wieder auf. Wir lachten total banal über selbstvergessene Tanzeinlagen, bewunderten Rhythmusgefühl, Mut zur Performance. Der Faden war deshalb ein roter, weil wir uns freuten, einander in so ähnlicher Stimmung endlich mal wieder außerhalb der pandemiebedingt wenigen Parameter getroffen zu haben.

Die andere Freundin J., die sich ganz offensichtlich alkoholtechnisch unter unser aller Aufmerksamkeitradar durchgemogelt hatte und plötzlich betrunken war, und zwar sehr lustig. J. wird dann noch geselliger, als sie ohnehin schon ist, sie verteilte Blumen an Fremde (die Blumen waren Deko, aber einen besseren Zweck als Verbrüderung kann doch nichts auf der Welt haben), sie tanzte, lachte, sie schaffte den Absprung rechtzeitig, wir teilten uns ein Taxi, und ihr Telefon taucht bestimmt wieder auf.

Ich traf Leute, die ich nur aus dem Netz kenne und aus einander geschriebenen Nachrichten via Social Media-Postfächern, und man umarmte sich wie selbstverständlich zur Begrüßung und freute sich aufrichtig, einander endlich mal in echt zu sehen. Ich lernte Leute kennen, die ich nur aus dem Fernsehen kenne, wir kamen ins Gespräch und sagten einander nette Dinge. Immer wieder gab es herzliche kleine Berührungen am Arm. Und es gab sehr oft sehr offenes Lächeln ins Gesicht. Ich bin, der ein oder andere mag es beim Lesen zwischen den Zeilen hervorblitzen sehen, beseelt.

„Das klingt wie der Ball danach“, sagt der Mann aus dem Sender, dem ich auf der Straße davon erzähle und der beim Zuhören mitgelächelt hat. “Wie der erste Ball nach der Pandemie.“ Die ist ja noch gar nicht vorbei, aber er spricht einen Gedanken aus, den ich heute auch schon hatte. Es war der Ball nach der Pandemie in den Köpfen. Es war ganz dringend nötig für die, die da waren, das war sehr offensichtlich. Nun waren wir alle gestern getestet, ich bin ja gerade genesen, es war im Rahmen meiner individuellen Risikobereitschaft total ok. Die Warn-App wird sich rot färben, alles andere wäre eine Überraschung. Dann ist es so. Ich habe gestern Abend gesehen und spüre heute, dass ein anderes Risiko größer war: Nicht zu merken, was wir alle mal wieder so dringend gebraucht haben. “Nach“ Pandemie, während eines Krieges.