Übers Gendern
Das da oben bin ich. In der Sendung „Maischberger“, Mai 2021. Ich habe mir den Zusammenschnitt noch immer nicht angeguckt, weiß aber, was dort zu sehen ist: Man sieht dort, wie ich in den insgesamt 75 Minuten Sendung das tue, was landläufig als „Gendern“ gilt. Ich benutze den Glottisschlag.
Dieses Machwerk wird mir immer wieder von Leuten als Antwort getwittert, wenn sie mir vor Augen führen wollen, wie doof ich bin. Die meisten finden auch Corona-Maßnahmen doof. Und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Beide Stränge finden sich in der Maischberger-Sendung (ARD) wieder. Also schicken sie mir das Video. Denn wenn ganz viele doofe Sachen zusammenkommen, nehmen sie das glaube ich als Beleg dafür, dass sie doch nicht danebenliegen. Und somit doch nicht die oder der eine Geisterfahrer:in sind, für die sie von den Millionen eigentlichen Geisterfahrer:innen gehalten werden.
Das kann man so machen. Wir leben in einem freien Land, auch wenn das viele innerhalb der erbitterten Glottisschlag-Gegnerschaft anders sehen oder zumindest behaupten, es anders zu sehen. Ganz endgültig kann ich das nicht beurteilen, denn es fällt mir schwer, mich in diese Menschen hineinzuversetzen. Oder, um das zu präzisieren: Es fällt mir schwer, überhaupt den Versuch zu unternehmen. Es fällt mir schwer, mich in diese Menschen hineinversetzen zu wollen.
Zurück zum Video. Ich habe also den Glottisschlag verwendet. Mehrfach, denn wenn man das macht, ergibt es nur konsequent durchgezogen Sinn. Nun weiß jeder Mensch, der daheim am Personalcomputer schon mal ein Filmchen von Onkel Hansis 65. Geburtstag zusammengetöckelt hat, wie man Leute möglichst bescheuert dastehen lässt. „Komprimieren“, „wiederholen“, „sinnentstellend zusammenschnippseln“, lauten die Stichworte. Da ich ja weiß, dass ich nicht doof bin, und mich deshalb nicht lange aufhalte mich seltsamen Leuten (oder solchen, die „Ha ha, Diekmann:innen“ für einen originellen, klugen Witz halten), habe ich mir das Video noch immer nicht angeguckt.
Das Video an sich stellt also kein Problem für mich dar. Anders solche Zuschriften: „Was bist du dumm, du Sau!“ – oder: „Du bist ein Stück Dreck, das nicht mal die deutsche Sprache beherrscht“, oder das längere Anschreiben eines Herrn, der mir wünschte, ich würde einen Schlaganfall erleiden, aber nicht sterben, sondern ins Wachkoma fallen. Damit meine Familie stets zwischen Hoffen und Bangen leben müsse und ich mich quäle. Alles, nochmal: alles Reaktionen darauf, dass ich den Glottisschlag verwendet habe. Nicht darauf, dass ich eine Katze bei lebendigem Leibe angezündet habe, jemanden verprügelt oder einen Obdachlosen bestohlen. Menschen beleidigen mich und wünschen meiner völlig unbeteiligten Familie und mir langes, schweres Leid, weil ich gendere.
Auch das kann man so machen. Man muss sich dann halt nur nicht wundern, wenn man Post vom Staatsanwalt bekommt. Denn ich finde, man sollte so etwas nicht machen. Ich bin privilegiert, in vielerlei Hinsicht. Unter anderem, weil ich ein sagenhaft dickes Fell habe und weiß, wie man einen Screenshot von derlei Post anfertigt. Und wohin ich diese Screenshots schicken muss, damit sich geübte und ambitionierte Menschen aus dem Strafverfolgungsbereich damit befassen. Ich denke, wenn man denn so privilegiert ist wie ich, kann man das zugunsten anderer nutzen und dafür sorgen, dass immer mehr Bewusstsein dafür geschaffen wird, was im Netz eigentlich los ist. Und was sich gehört und was nicht. Egal, ob im Netz oder anderswo. Erfahrungsgemäß sind viele im Netz aber sehr viel „mutiger“. Erst gestern wieder habe ich jemanden von den ganz Lieben bei Twitter drauf hingewiesen, dass ich seine Botschaft an mich an die entsprechenden Stellen weiterleite. Zack, hat er erst nur den betreffenden Tweet gelöscht, und dann, nach meinem Hinweis auf den Screenshot, den ich habe, gleich seinen kompletten Account. Es wird ihm wenig nutzen.
Zurück zum eigentlichen Thema. Ich verzichte inzwischen auf den Glottisschlag. Das haben viele derjenigen, die ganz aufgeregt auf das über ein Jahr alte Video stoßen und jetzt auch schnell noch mal mitteilen möchten, was sie von mir halten, nicht mitbekommen. Aber gut, wenn man ernsthaft von einer „Corona-Diktatur“, nicht mehr vorhandener Meinungsfreiheit und sonstigem Unsinn faselt, gehört Nicht-Mitbekommen ja zur Grundausstattung des „Selber denkend“-Habitus.
Warum ich den Glottisschlag nicht mehr benutze? Mir war es irgendwann zu undankbar, viel Arbeit zu investieren, um komplexe Sachverhalte selber zu verstehen und anschließend so zu erklären, dass andere das auch tun, und dann in der anschließenden Debatte zu 80 Prozent Kommentare übers Gendern zu lesen. Ich möchte über Inhalte diskutieren. Was nicht bedeutet, dass gendergerechte Sprache mir nicht mehr wichtig ist. Pick your fights, das war mein Leitsatz in dieser Sache.
Zurück zu den Inhalten und zum Thema. Für den Freundeskreis „Eine Minderheit will uns zum Gendern zwingen und man wird diskriminiert, wenn man nicht mitmacht!!!“ dieser Hinweis: Nicht eine, ich wiederhole: nicht eine einzige auch nur im Ansatz unangenehme Zuschrift hat mich erreicht, seitdem ich drauf verzichte.
Um eine gern gewählte Aufforderung der Social Media-Gripselite zu zitieren: Denken Sie mal drüber nach!