Zu Gast bei „13 Fragen“ – oder: Was an…
Diese Woche hatte ich die Ehre und das überraschend große Vergnügen, Gast bei „13 Fragen“ zu sein. Thema, nicht allzu überraschend: „Twitter – gehen oder bleiben?“
Wir waren sechs Leute, zwei (grob) gesagt, Meinungen. Sechs Gäste, von denen sich fünf aktiv auf Twtter tummeln oder zumindest getummelt haben. Gäste, die Kontroverse gewohnt sind, auch qua Beruf. Und, das ist wichtig: Sechs Gäste, die sich für einen respekvollen Umgang in den sozialen Netzwerken aussprechen.
So, und nun die oben schon erwähnte Überraschung: Wir waren alle überrascht und beseelt, das lässt sich in der ein oder anderen Instagram-Story noch nachlesen und auch in Tweets, wie gelingend kontroverse Debatten verlaufen können. Wie freundlich, wie verbindlich.
Das finde ich ganz schön traurig.
Ich sehe das nicht nur an uns, die wir uns so freuen, zugehört zu haben, gehört worden zu sein, und vor allem: ernstgenommen und respektiert. Wenngleich wir uns auch auf keine gemeinsame Lösung der Frage wirklich einigen konnten.
Ich lese das aber auch in Blogs, in Tweets, ich höre das inzwischen auch in Gesprächen: dass Leute sich schon im vorauseilenden Gehorsam gegen mögliche und seien es noch so absurde Einwände gegen das von ihnen Geschriebene und Gesagte wappnen. Je nach Temperament stellen Sie schonmal vorab und ziemlich bestimmt, weil durch diverse ätzende Erfahrungen verständlicherweise genervt, Dinge klar. Oder aber sie führen ihre Ausführungen noch weiter, bis Viertel vor grotesk manchmal, aus. Oder sie fügen direkt an, dass sie natürlich wissen, dass man jetzt zwischen den Zeilen möglicherweise mit ganz viel Anstrengung auch noch dies oder jenes herauslesen könnte. Sie aber eigentlich lediglich eine Szene aus ihrem Alltag schildern wollten, subjektiv, natürlich, ohne damit irgendjemanden aktiv oder passiv aggressiv zu meinen, etwa durch nonmetioning.
Und ich sehe die Kommunikation auf Mastodon – ganz subjektiv, in meiner Timeline, es kann bei Ihnen natürlich völlig anders aussehen. Und falls ich Ihnen dort folge, könnte es sein, dass ich Sie im Folgenden auch meine, könnte aber auch sein, dass nicht. Und falls ja: Ich kritisiere nicht Sie als Person, sondern ich kritisiere allgemein und voller Respekt einen Aspekt, den ich (subjektiv!) dort wahrnehme.
In meinem Mastodon, wo ich natürlich ausschließlich Leuten folge, deren Gebaren auch schon auf Twitter meinen individuellen und keineswegs allgemeingültigen Ansprüchen an zugewandte Kommunikation entsprachen. Noch mal: meinen. Es müssen nicht Ihre sein. Ich möchte Ihnen nichts verbieten. Selbst wenn ich es könnte. Ok, dann vielleicht doch, aber ich kanns halt nicht.
In diesem meinem Mastodon also sehe ich diese Leute, die ich zum Teil schon seit Jahren von Twitter kenne, anders kommunizieren als dort. Wo sie ja wie erwähnt auch schon völlig ok (meine Meinung, keine Anmaßung) kommuniziert haben.
Mastodon wirkt auf mich wie auf Watte. Wie eine relativ extreme Gegenreaktion auf den relativ harschen Ton, der auf Twitter und anderswo so nervt. (Nein, ich bin nicht neidisch auf Elon Musk; ich weiß, dass Twitter auch vor ihm schon problematisch war, ICH HABE EIN BUCH DARÜBER GESCHRIEBEN, HERRGOTT).
Tschuldigung, geht schon wieder.
Zieht man das Heischen um Markierungen und den Karriere-Faktor ab, erinnert mich Mastodon in seiner Tonalität sehr an LinkedIn und das ältere Instagram. Wo immer alles ganz, ganz super ist. Wo Fynn Kliemann sagt: „Ach so, sorry, war nicht korrekt von mir“, und dann klatschen ihm ganz viel Leute Beifall fürs Entschuldigen. Jedem würden doch mal Fehler passieren. Schwamm drüber! In diesem Zusammehnag erwähnte jemand „Toxische Positivität“, und das fand ich sehr treffend. Durch Reibung – Achtung, wichtig: nicht durch Anbrüllerei oder strategisches Missverstehen – entstehen gute Beziehungen, hab ich mal gelernt. Durch Bussi Bussi eher nicht.
Es gibt etwas dazwischen, immer noch. Das haben wir alle am Dienstag bei der Aufzeichnung von „13 Fragen“ gesehen.
Und das finde ich schön. Nun stellt sich „nur“ noch die Frage, wo wir das digital erleben können. Ich hab leider keine Antwort darauf. Aber ich höre nicht auf, nach ihr zu suchen. Das kann ich anbieten.