Wer zuletzt lacht – eine Geschichte über Einzelhandel, Onlinehandel…
Vergangene Woche hatte ich mir freigenommen und wollte Schuhe kaufen. Schwarze Stiefeletten ohne Absatz, Größe 40. Wie durchschnittlich kann man sein? Ich: Ja!
Ich wollte alles richtig machen und im Laden einkaufen. Den Einzelhandel unterstützen, der unter Corona und Inflation und ja sowieso unter Online-Konkurrenz ächzt. Also trotzte ich Wind, Wetter und Weicheierei und zog los. Nach draußen. Ins analoge Einkaufsvergnügen.
Moment. Sagte ich: „Vergnügen“?!
Laden 1: Hatte zu. Wir reden hier nicht von einem ausgefallenen Designerladen mit Einzelstücken; wir reden von einer Kette in einem Einkaufszentrum. Wie unglamourös kann man sein? Ich: Ja!
Im Schaufenster des Schuhgeschäftes hingen die Öffnungszeiten. Die aber offensichtlich nur als eine Idee gedacht waren, als eine Leitplanke, vielleicht auch als ein Vorsatz. Es hätte nämlich offen sein müssen. Uhrenabgleich undsoweiter. Gut, nach 17 Jahren Berlin wundert mich sowas nicht mehr, also zog ich einfach weiter.
In ein Kaufhaus. Dort gab es sehr viele schwarze Chelsea Boots in der Schuhabteilung, ich probierte wohlgemut an. Und probierte an. Und probierte an. Eine Verkäuferin oder einen Verkäufer erblickte ich nicht. War aber nicht schlimm, ich bin ja schon groß. Nach einiger Zeit schob sich dann aber doch eine Mitarbeiterin in mein Blickfeld, schaute auf die zirka acht Kartons und Einzelschuhe neben meinem Stuhl und sagte spitz: „Na, hier sieht’s ja aus!“
Nach 17 Jahren Berlin – Sie wissen Bescheid, man passt sich an, ich reagierte entsprechend sachlich. Es lohnt sich ja nicht, zudem droht der Kaufhauskette gerade zum etwa 20. Mal die Insolvenz, also: Nachsicht. „Haben Sie den hier in 40?“, fragte ich deshalb freundlich zugewandt. „Steht der da vorne in 40?“, lautete die Antwort. Da hatte die Tonlage bereits vom Spitzen ins Schnippische gewechselt. Ich wechselte auch, vom Netten ins Stoische und sagte: „Nein, da habe ich dieses Paar ja hergeholt. Haben Sie den denn vielleicht noch auf Lager?“ Antwort: „Glaub ich nicht.“
Ich wechselte wieder, vom Stoischen ins Eine-Augenbraue-Hochgezogene und fragte: „Könnten Sie bitte mal nachsehen?“ Antwort: „Jetzt nicht, ich komme gerade aus dem Lager.“
17 Jahre Berlin. Da ist man hart im Nehmen, da ist man aber auch abgebrühter. Ich wechselte also in „Ich lass mich hier doch nicht veralbern“, lächelte die Frau an und sagte: „Gut, dann bestelle ich den Schuh jetzt online. Von hier aus. Draußen ist ja so schlechtes Wetter, und ich brauche den Schuh schnell.“ Die Stille danach hielt ich gut aus, ich war ja mit Bestellen via Smartphone beschäftigt, und irgendwann zog die Frau von dannen.
Das war an einem Mittwoch. Donnerstagabend bekam ich gegen 20 Uhr eine Mail: Leider sei ich nicht zu Hause, der Schuh deshalb mit dem Paketservice wieder abgereist. Ich war die ganze Zeit zu Hause, aber gut, das kennt man ja auch.
Am Samstag dann klingelte mittags ein Paketbote, drückte mir eine große Versandtasche in die Hand, ich öffnete sie, mich bereits wundernd ob des spürbar fehlenden Schuhkartons – und dann packte ich erstaunt dies aus:
Eine pinke Decke, wie man sieht. (Wie man hier nicht sieht: eine fleckige pinke Decke.) Nun war ich gerade auf dem Sprung zu einer Verabredung im Freien und hätte die Schuhe SUPER gebrauchen können. Nicht aber eine etwas ekelhafte Decke. Der Streifen, mit dem man die Pakettasche bei Unzufriedenheit und Rücksendungs-Aktion wieder zukleben kann, war schon vom Schutzpapier befreit. Jemand hatte sich wohl während der Versandweg-Kette in die Schuhe verliebt und trägt sie jetzt.
Ich rief den Online-Bestell-Dienst an. Dort war man sehr, sehr nett zu mir. Geld wurde sofort storniert, Gutschein wurde geschickt, es wurde sich entschuldigt. Service halt. So wie man ihn kennt. Wenn man zum Beispiel nicht in Berlin lebt.
Stunden später kam ich von meinem schönen Ausflug zurück, erholt und gutgelaunt, und bereit für den dritten Versuch. Ich suchte die Schuhe erneut – inzwischen um 30 Euro reduziert. Dann haute ich Sparfuchs noch den Gutschein drauf – tja. Ich will nicht sagen, dass ich jetzt noch Geld rauskriege für meinen Kauf, aber ich hab ein Schnäppchen gemacht, so weit würde ich schon gehen. Karma, Baby!
(A propos gehen: Jetzt müssen sie nur noch ankommen, die Schuhe. Ich bleibe optimistisch!)