Tschüss, Waschmaschine – oder: Wachstumsschmerzen
Der erste Tag des Jahres. Meine erste Amtshandlung nach dem Aufwachen: die Öffnungszeiten des benachbarten Waschsalons googeln. Denn 2023 hat auch für mich Neues bereitgehalten.
Erstens Läuse. Hatte ich vorher noch nie. Und mein Bestreben, Routine zu entwickeln im ölige Substanzen auf meinen Kopf Kippen, mich dauernd mit einem sehr feinen Kamm zu kämmen und mich retrospektiv sehr zu ekeln über die Anzeichen, die ich für ein paar Tage nicht richtig gedeutet hatte, sind enorm unterentwickelt. Ebenso mein Wunsch, noch mal zirka ALLES zu waschen, was ich besitze. Das mag übertrieben gewesen sein, aber auch hier gilt das, was ich 2023 in einem völlig anderen Kontext klären musste: Meine Empfindungen lasse ich mir sehr schwer ausreden.
Ich schweife ab, aber da bin ich wieder. Waschen. Waschsalon. Die zweite Sache, die ich 2023 zum ersten Mal in meinem Leben getan habe: eine Waschmaschine gekauft. Die aktuelle ist knapp und stolz 23 Jahre alt. Falls Sie das Fabrikat interessiert: Ich bin Gütersloherin.
Nach 23 Jahren kann man als Waschmaschine anfangen, zu lahmen. Da hat man sich mehr als amortisiert und als sehr zuverlässige Wegbegleiterin erwiesen. Man hat seine Pflichten übererfüllt. Was man als Besitzerin nicht mehr kann: Noch mal 800 Euro für die Reparatur ausgeben. Das war eine Premiere 2022. Ich bin kein Rechengenie, aber da hört selbst mein Unvermögen, Vermögen anzuhäufen, dann doch auf.
Meine Waschmaschine gehörte meiner Oma. Oder, um es korrekt zu zitieren: Omma. Omma Therese. Omma starb 2001. Da lebte ich endlich mal in einer Wohnung, die groß genug war für eine eigene Waschmaschine, und auch mittlerweile zu weit weg von meinen Eltern, als dass ich am Wochenende zum Waschen bei ihnen einkehren konnte. „Willst du Ommas Waschmaschine haben?“ Diese Frage meiner Mutter löste mehrere meiner Probleme.
Auch meine Mutter lebt mittlerweile nicht mehr. Sie hätte ich normalerweise angerufen mit der Frage, welche Maschine ich mir denn nun anschaffen soll. Nicht, weil ich nicht selber in der Lage wäre, mir Testergebnisse durchzulesen, Kosten und Nutzen abzuwägen, Preis-Leistungs-Verhältnisse zu verstehen und meine individuellen Bedürfnisse (ich hätte gerne saubere Wäsche und einen trockenen Badfußboden nach jedem Waschgang, da bin ich vermutlich nicht so wahnsinnig Avantgarde) erfüllt zu sehen. Das kann ich alles, sage ich in aller Bescheidenheit.
Aber meine Mutter war sehr patent und zudem eine große Freundin von Technik. Und darüber hinaus im stetigen Austausch mit ihren Freundinnen. Meine Mutter war außerdem ein Sparfuchs, gleichzeitig aber Mitglied des „Fünfmal billig ist zu teuer“-Clubs. Das ist eine gute Kombination.
Und: Sie war meine Mutter.
Nächste Woche Dienstag kommt meine neue Waschmaschine. Meine erste selbstgekaufte. Nun wäre ich ja eher auffällig, und das nicht im guten Sinne, hätte ich in knapp 46 Jahren noch keine Entscheidungen von solcher Tragweite getroffen. Aber es fühlt sich noch mal anders an. Wie erwachsen werden. Bin ich gerne. Und die neue Waschmaschine ist bestimmt toll, kann viel mehr als die alte, vor allem Energie sparen. Und nicht auslaufen. Ich werde trotzdem ein bisschen traurig sein, wenn die Maschine, die ich mein halbes Leben lang besessen habe, den Haushalt verlässt.
Und ich hätte vor allem gerne meine Mutter anrufen können.