23. Mai 2022

23. Mai 2022

Noch drei Mal schlafen, dann fahre ich in den Urlaub. So wie auf dem Foto sieht’s da nicht aus; ich fahre an die Ostsee. Kurzurlaub. Langes Wochenende. Der Klassiker.

Das da oben zeigt meinen Winterurlaub. Der war so hervorragend, einfach, weil es warm war und ich nicht kochen, arbeiten oder mir Gedanken über meine Tagesstruktur machen musste.

Bis zu meinem 15. Lebensjahr dachte ich, Sommerurlaube außerhalb von Clubanlagen gäbe es nicht. Jahrelang fuhren meine Eltern mit uns Kindern in Clubs. Nicht, weil sie große Freunde des Clubtanzes gewesen wären oder sich gerne als Clowns verkleidet auf Beachvolleyball-Plätzen getummelt hätten. Beide arbeiteten aber sehr viel und hatten völlig unterschiedliche Ansätze, das in ihrer Freizeit auszugleichen: Meine Mutter wollte einfach nur liegen. Mein Vater wollte Tennis spielen.

Beides ließ sich in den von uns okkupierten Clubs immer großartig miteinander kombinieren, zumal wir Kinder nicht störten. Wir waren im Mini Club und fanden das beide ok. Waren wir nicht im Mini Club, machten wir etwas mit anderen Kindern zusammen, die wir aus dem Mini Club kannten. Fanden wir auch total ok. Dass irgendjemand von uns einen Fuß aus dem Club raussetzte, kam so gut wie nicht vor.

Bis zu dem Jahr, in dem meine Mutter vergessen hatte, Unterhosen für meinen Vater einzupacken. Er brauchte aber welche, das werden Sie verstehen. Also mussten welche gekauft werden. Das war allerdings schwierig. Wir weilten nämlich auf den Kanaren. Spanische Männer sind nicht sehr groß. Mein Vater hingegen misst über 1,90 Meter. Eine tolle Art, Urlaubszeit zu verbringen: Schlüppa für Papa suchen.

Leider stieß meine Mutter dann bei ihrer hektischen Suche nach Buchsen, bei der alle mitmussten, auf einen Laden mit Tischdecken. Großen Tischdecken. Mit Lochstickereien. Ein Traum, jedenfalls für meine Mutter. Menschen sind ja unterschiedlich gest(r)ickt. Große Tischdecken waren im Hause Diekmann sehr begehrt, denn: Der Tisch im guten Wohnzimmer (das bei uns „Wohnzimmer-kalt-ist“ hieß, weil es ausschließlich geheizt wurde, wenn wir dort Weihnachten oder Geburtstage feierten, und zwar am langen Tisch) war in ausgezogenem Zustand sehr lang UND oval. Anscheinend Normalität in spanischen und italienischen Haushalten. Das Angebot war hervorragend, nicht nur verglichen mit der Verfügbarkeit von Plinten für große Männer.

Fortan verschwand meine Mutter in jedem Urlaub für einen Tag, um „grande ovale“ zu schießen. Mein armer grande Vater musste mit, denn der kann handeln, dass sich die Balken biegen. Gelernter Autoverkäufer, need I say more? Wir Kinder jedoch lernten den Mini Club noch mal mehr zu schätzen. Grande ovale bedeutet für normale Menschen ja grande unsinnige Zeitverschwendung. Vor allem, wenn man jünger ist als zirka 40 und wenn man schon zwei oder mehr Decken hat. Aber wie gesagt: Meine Mutter schwelgte, und mein Vater überstand diese Tage, indem er den Blick fest auf die erfolgreiche Strategie „Happy wife, happy life“ richtete.

Irgendwann fuhr ich nicht mehr mit in Urlaub – und entdeckte das Prinzip „Individualreisen“ für mich. Kurz jedenfalls. Dann fing ich an zu studieren und hatte erstens kein Geld für Urlaub und zweitens so viel Angst vor Arbeitslosigkeit (Traumberuf Journalistin), dass ich in meinen Semesterferien lieber Praktika machte bzw. als Freie arbeitete. Was drin war: Ausflüge nach Sankt Peter Ording. Eine Freundin wohnte mit zwei Surfern in einer WG zusammen, und die nahmen uns mit. Wir schliefen in Bullis, duschten am Strand und aßen Pommes. Es war herrlich. Grande Vergnügen, grande Coolness.

Als ich endlich erstes Geld verdiente, fehlte mir die innere Sicherheit ob meiner finanziellen und Beschäftigungs-Situation. Frei arbeiten hat auch erstmal was Prekäres, zumal der Journalismus damals in einer großen Krise steckte. Ich reiste, aber nur ein bisschen. Der Mann an meiner Seite war immer klamm, und meine Verarmungsangst erwähnte ich hier im Blog ja bereits. Da passten wir urlaubstechnisch perfekt zusammen: Wir machten einfach so gut wie keinen.

Wir raffen das mal. Ich wurde Kriegs- und Krisenreporterin, also reiste ich vier Jahre lang beruflich um die Welt. In Israel war ich viel, in Nepal war ich, in Myanmar. Ich habe Singapur gesehen, aus Brasilien berichtet. In die USA bin ich ein paar Mal geflogen, nach Spanien, Frankreich, Italien, Indien, in die Türkei, Russland, Ukraine. Und habe oft viel gearbeitet, manchmal unter viel Adrenalin. Wenn ich zu Hause war, hatte ich frei und hab mich dort erholt bis zum nächsten Anruf. Verkehrte Welt. Also bin ich wieder wenig gereist, im Sinne von Urlaub. Wenn ich aber welchen gemacht habe, dann individuell. Ein Jahr mit dem Auto durch Irland, das drauf mit dem Auto durch Schottland. Dann mal in die Toskana, Sardinien war auch dabei. Nix mit grande ausgefallen, aber das hatte ich ja im Job.

Dann, nach diesen verrückten und großartigen Jahren, kamen ein paar, in denen musste ich mir ein Leben aufbauen und ein Zuhause, da bin ich nicht viel gereist und hab auch nicht viel Urlaub gemacht.

Jetzt hab ich ein Zuhause, ein Leben, also hab ich auch wieder Lust auf Urlaub. Grande Lust. Der Coolnessfaktor ist mir nicht mehr so wichtig. Im Sommer fahre ich in einen Club. Liegen find ich super, Sport auch, ich bin wie jeder andere Mensch ein 50:50-Genmix aus meinen Eltern. Jetzt aber erstmal Kurzurlaub, nicht im Club, aber auch nicht in sowas wie einem Tipi, einem Leuchtturm oder einem umgebauten U-Boot.

Das Tolle finde ich ja am Urlaub die Dreiheiligkeit: die Vorfreude, den Urlaub an sich, und das davon Zehren. Phase eins schlägt grad voll durch.