Es ist egal, aber…

Und wieder sind meine Timelines voll mit der Debatte, ob die AfD verboten werden man Twitter verlassen soll. (Vorab: Für mich ist das Twitter. Wenn jedes Mal, erwähnt man X, der Zusatz „Vormals Twitter“ notwendig ist, ist es ja auch mit der Neubenennung nicht optimal gelaufen.)

Der Deutschlandfunk verlässt Twitter, und es gibt viel Kritik daran. Die sich zusammenfassen lässt mit „Als Bollwerk muss man hierbleiben. In einem Superwahljahr wie 2024, in dem Trump, AfD und andere die Kanäle mit (Des-)informationen fluten werden, ist das umso wichtiger!“

Dem gegenüber stehen auch nicht ganz falsche Beweggründe, Twitter den Rücken zu kehren, wie der namens Elon Musk. Ich muss jetzt nicht aufzählen, was er alles verbrochen hat. Das wissen wir alle. Und selbst, wenn wir nur die Spitze des ekelerregenden Eisbergs kennen – das reicht ja auch schon. Und nach einer gewissen Anzahl von Wiederholungen dient die Aufzählung seiner Fehltritte ja nicht mehr der Information, sondern bedient einen Voyeurismus, den ich zwar verstehen kann, aber nicht bedienen will.

Ich kann beide Argumentationen verstehen und möchte Ihren Blick deshalb gern auf einen anderen Punkt lenken: nämlich den, wie sich selbst seriöse Vertreter von Staat und Medien im Ton und im Stil vergreifen in der Debatte darum, ob man auf der Plattform desjenigen bleiben sollte, der Ton und Stil ja vor allem als Spielzeuge begreift, mit deren Hilfe er seine infantile Sucht nach Aufmerksamkeit befriedigen kann. Was die Debatte ja erst ausgelöst hat (neben anderen absurden Moves).

So trötet beispielsweise ein Sprecher direkt in das „Öffentlich-rechtlicher Sender, wer hat das denn bitte entschieden, kann ich mal das entsprechende Gremium sehen“-Horn und segelt damit doch relativ entschlossen an der bei Populisten und Härteren so beliebten Medien-Bashing-Grenze.

Andere wiederum haben auf Threads die Moral als USP für sich entdeckt und blöken dort Leute an, die Twitter noch nicht den Rücken gekehrt haben. Ausgerechnet dort. Was einer gewissen Ironie nämlich nicht entbehrt, denn auch Mark Zuckerberg ist nun wirklich nach all den Jahren Facebook, Instagram und Whatsapp unter seiner Fittiche kein Anwärter auf den Friedensnobelpreis. Und ja, Musk spielt in seiner eigenen Liga, aber ganz ehrlich: Wer meint, Zuckerberg hätte Hass und Hetze entschieden bekämpft oder würde dies tun, hat entweder keine Ahnung oder aber keine Lust auf Differenzierung.

Und das ist der Punkt: Wir diskutieren, ob Musk tragbar ist (nein), und tun aber so, als wäre diese Frage bezogen auf Zuckerberg längst obsolet. Grenzverschiebung nennt man das. Zu der trägt Musk erst wirklich tatkräftig seit etwas mehr als einem Jahr bei. Zuckerberg schon sehr viel länger.

Es ist kompliziert.