11. März 2022

11. März 2022

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Die Zeiten sind aggressiv genug, deshalb formuliere ich mein Gefühl bezüglich dieser Nachricht so sachlich, wie nur eben möglich – und glauben Sie mir, das ist ein Kraftakt. 

Also: Ich glaube, es hackt. Ich glaube wirklich, es hackt.

Facebook (Mutterkonzern Meta) erklärt, ein Auge zuzudrücken bei Hassnachrichten. Okay, das wussten wir alle schon, aber bisher hat Facebook ja immer das Gegenteil behauptet. Jetzt aber räumt der Gigant es ein – nein, mehr noch: Er schreibt es sich zugute. Und zwar nicht trotz des Krieges – nein, wegen des Krieges. Und es wird noch besser im Sinne von schlimmer: Facebook ist jetzt nicht nur befreundet mit Hassnachrichten, sondern sogar mit offenen Gewaltaufrufen. Zumindest, wenn sie sich gegen die russische Regierung und gegen russische Soldaten wenden. Laut der Nachrichtenagentur Reuters gilt diese Regel für Armenien, Aserbaidschan, Estland, Georgien, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, die Slowakei und – klar – die Ukraine. 

Die sozialen Netzwerke (dank des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij sogar Telegram) sind seit Kriegsbeginn vom Paria zu digitalen Heiligen avanciert. Facebook kündigte zwei Tage nach Putins Einmarsch in die Ukraine an, keine Werbung russischer Staatsmedien oder andere Wege zum Geldverdienen mehr zuzulassen. Zeitgleich mit Twitter ließ man verlautbaren, Fake Accounts mit anti-ukrainischer Propaganda zu sperren. 

In einem Angriffskrieg, in dem Aggressor und Opfer, David und Goliath astrein identifizierbar sind, erscheint das auf den ersten Blick ebenso richtig wie aller Ehren wert. Die Tech-Giganten nutzen ihre Macht endlich sinnvoll und strahlen plötzlich hell und edel in dieser Finsternis. Die Plattformen der Herzen.

Beim genaueren Hinsehen aber fällt ein Detail ins Auge: Da treffen Firmen Entscheidungen auf Basis von – ja, von was eigentlich? Richtig: der eigenen Machtfülle. Ebenso wie fast überall ist man auch in Palo Alto entsetzt ob Putins Angriff auf den Nachbarn. Also tut man, was man kann. Und darf. Und das ist ja zirka alles. Warum sollte die Politik sich nach all den Jahren ausgerechnet jetzt plötzlich verschärft der Frage zuwenden, wann und wie sie Facebook und andere endlich einhegt? Mitten im Krieg? (Und zur Erinnerung: Corona ist auch noch.)

Würde Meta-Chef Mark Zuckerberg Präsident eines Landes, wäre das ein Abstieg für ihn, schreibt der Autor Steven Levy in seinem Buch Facebook. The Inside Story. Selten wurde das so offenbar wie durch die jüngste skandalöse Ankündigung Metas: „Rufen Sie zu Gewalt auf – wenn es gegen die Richtigen geht, ist das für uns soweit ok!“ Meta ist kein Staat, Meta ist supranational. Eine Institution. Ohne Konstitution. Und ohne nachvollziehbare Regeln. 

Was übrigens nicht verwunderlich wäre: Wenn Meta mit seiner Ankündigung versucht hätte, aus der Not das zu machen, was es absurderweise als Tugend verkaufen will. Womöglich wird Meta der Flut von Hass schlicht und einfach nicht mehr Herr. Und wählt nun lieber den Weg, es als Folge einer  aktiven Entscheidung zu verkaufen, dass es voller Hassnachrichten ist. Statt dies als Beleg für die selbst verschuldete Überforderung einzuräumen. Weil die stinkreichen Tech-Riesen ihr Geld nicht so gerne in Mitarbeiter investieren, die den Verbalmüll entsorgen. 

Vielleicht lügt Meta ja auch. Mal wieder. Was auch sehr schlimm wäre, aber nicht ganz so schlimm wie eine tatsächlich bewusste Eintscheidung, sich zur Waffe zu machen, wenngleich auch des Schwächeren. Denn: Mit der Ankündigung, Hass gegen bestimmte Gruppen werde akzeptiert, ermuntert Meta Leute noch zusätzlich. Meta greift in den Krieg nicht mehr nur dergestalt ein, dass es versucht, den Ein- und den Geldfluss einer Seite zu drosseln. Meta heizt den Krieg nun mit an.

Meta ist kein Staat, Meta ist supranational. Eine Institution. Ohne Konstitution. Ohne nachvollziehbare Regeln. Und ohne Skrupel. So oder so.