7. März 2022

7. März 2022

https://www.instagram.com/p/CazBAZlsfsv/?utm_medium=copy_link

Cathy Hummels ist entsetzt, schreibt sie auf Instagram (Facebook-Mutterkonzern Meta, zu dem Insta gehört, lässt hier kein direktes Einbetten mehr zu, deshalb ein Link) ob mancher Reaktionen auf einen vorherigen Post von ihr. Diesen Post verlinke ich hier nicht. Warum nicht? Hätte ich nicht festgestellt, dass Teile meines Wortschatzes nie, aber besonders jetzt nicht, angemessen sind, würde ich jetzt schreiben: „Weil Cathy Hummels den Schuss nicht gehört hat.“ Achten Sie mal einen Tag lang auf Ihre Wortwahl. Ich war wirklich erschrocken, wie stark sich Kampfrhetorik eingebürgert hat bei mir. Und ich verdiene mein Geld mit Sprache. Beschämend.

Cathy Hummels hingegen ist nicht beschämt, sondern fühlt sich missverstanden und ungerecht behandelt. Hummels, Spielerfrau und Influencerin, hat am Tag zuvor ihre Version von „Anteil nehmen am Krieg Wladimir Putins gegen die Ukraine“ bei Instagram gepostet. Dafür hat sie sich vor eine gelbe Wand gestellt, dabei ein blaues Oberteil getragen sowie eine sehr teure Handtasche, auf einem Bild ihr linkes Bein abgewinkelt gehoben und ihr langes, zum Zopf gebundenes Haar gefasst und ebenfalls in die Höhe gehalten. Auf einem anderen Foto der Serie sitzt sie neben der Tasche und vor der Wand und lacht in die Kamera. Das Einzige, das an diesen Bildern Sinn ergibt und Hummels‘ Gedankengänge nachvollziehbar macht, ist die Farbkombination. Gelb und Blau, ukrainische Flagge, logisch. Warum Hummels lacht, warum eine Luxustasche mit aufs Bild musste, warum sie ihren Pferdeschwanz – egal, Sie wissen, was ich meine.

Nun ist nicht jeder Mensch auf dieser Welt politisch, und auch diejenigen, die es sind, vielleicht sogar gerade die, freuen sich dieser Tage über Abwechslung. Rührselige Filme, ein Gang durch den Wald, eine Ausstellung – die Seele meldet sich bedürftig zu Wort. So rechtfertigt sich Hummels auch: Lachen sei doch gerade jetzt wichtig. Kontext? Handtasche? Egal. Das Problem ist nur: Influencerinnen wie sie sind so eine Sache. Firmen haben verstanden, dass das social Web das Werbefernsehen für die jungen Leute ist. Die leicht beeinflussbar sind, gerne Dinge kaufen, um zu sein wie ihre Vorbilder. Firmen, darunter auch Handtaschenproduzenten, haben verstanden, dass da sehr viel Geld zu holen ist. Und Leute wie Cathy Hummels haben verstanden, dass sie für viele junge Mädchen und Frauen als Vorbild fungieren können. Und damit auch für sie sehr viel Geld zu holen ist.

Ich kann nicht in Cathy Hummels‘ Kopf gucken. Keine Ahnung, ob sie einen unbedachten Moment gewählt und sich mit ihrer Handtasche vor die gelbe Wand gestellt, ihr Bein abgewinkelt und ihr Haar in die Luft gehalten hat (oder ob sie gar nicht denkt und die Menschen, die sie beraten, einen Aussetzer hatten) und dann nicht mehr zurückrudern konnte. Ob sie und ihr Management knallhart kalkulieren und ihre Followerschaft so gut kennen, um zu wissen: Das ist denen egal. Und damit ist es uns egal. (Der erste Satz, der mir gerade durch den Kopf schoss – nein, ging: „Hauptsache, der Rubel rollt.“ Auch Sprache bedeutet Verantwortung.)

Vielleicht geht es Cathy Hummels und ihren Fans tatsächlich nur um Fashion, um Körper-, nicht um eine politische Haltung. Ich weiß es nicht. Ich weiß aber: Vorbilder prägen. Hätte ich eine Tochter, würde ich solche Bilder mit ihr diskutieren. Wäre Cathy Hummels meine Tochter, erst recht.