8. März 2022

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Jahrzehntelang investieren Fernsehsender in höchstauflösende Kameras, immer state of the art, perfekte Beleuchtung, die Zuschauer ansprechende und gleichzeitig Thema und Atmosphäre der jeweiligen Sendungen abbildende Studios. In gut ausgebildete Leute in Regien, hinter Kameras, am Tonmischer, in der Maske. Und dann gewöhnt sich die Kundschaft nach und nach an MTV-Zooms, Studios wie das von BILD TV und an verwackelte, mit Handykamera und -Mikro aufgenommene Videos, weil ja alle Bürgerreporter sind.

Authentizität ist ein hohes Gut in der Politik. Es lohnt sich, so zu wirken wie der kleine Mann auf der – wie passend – Straße. (Geringverdiener oder fleißig arbeitend – zumindest in der Logik von Tobias Hans muss man sich da allerdings dann doch entscheiden.) Also, ab zur Tanke, Hemd ordentlich gebügelt, es gibt ja doch Grenzen, und dann nix wie los mit Video, das Handy in der eigenen Hand haltend. So als wäre dieses Filmchen spontan entstanden, aus einem Gefühl (auch ganz wichtig) heraus. Weil Tobias Hans gerade alleine tanken war und beim Bezahlen fast vorne rüber geschlagen wäre vor Schreck. Der Sprit! So teuer! Er hatte ja keine Ahnung! Woher auch? Tobias Hans ist Politiker, und Politiker sind Menschen. Auch Politiker im Wahlkampf. Die lesen auch mal tagelang keine Zeitung, gucken keine Nachrichten. In Kriegszeiten muss man da emotional auch auf sich aufpassen und sich innerlich hin und wieder rausziehen. Und trotzdem, auch wenn er gerade nicht up to date ist: Tobias Hans ist ein Mensch, und manche Menschen sind Politiker. Zum Beispiel Tobias Hans. Irgendwo im Hinterkopf weiß er: Da war was. Am 27. Kommt der Zählerableser? Nee. Zahnarzt? Auch nicht. Ah. Wahl ist! Im Saarland! Das Hans regiert, als Ministerpräsident. Welch ein glücklicher Zufall, dass er gerade tanken ist und r-i-c-h-t-i-g sauer: Spritpreis, down to earth-Attitüde, versehen mit einem Hauch Spontaneität – das könnte er sein: der Booster – ah sorry, falsches Thema: der Turbo für den Wahlkampf!

Also nicht erstmal in der Staatskanzlei das Team zusammentrommeln, mit der Agentur sprechen und dann in ein paar Tagen was Hochwertiges fürs gute alte Fernsehen drehen – nope, ein Handyvideo für die sozialen Netzwerke, jetzt sofort, das isses. Frei nach Hape Kerkeling: „Sonst ist es nicht echt, sonst ist es nur platt.“

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Ob das nun verfängt (also, Tobias Hans meine ich, Hape Kerkeling verfängt ja immer), wird sich am 27. zeigen. Ikonographisch aber ist das in jedem Fall jetzt schon interessant. Wenn künftig Handyvideos das Ding sind, nicht mal mit Selfiestick gedreht, sondern mit Arm, ohne Schnickschnack, also back to the roots, back oder das erste Mal – jetzt frei nach Tocotronic – überhaupt im Leben Teil einer Graswurzelbewegung sein – dann, Leute, dann komm ich groß raus: iPhone 173 kann jeder. In meiner Küchenschublade liegt ein iPhone 1, das noch funktioniert. Wenn schon authentisch, dann ja wohl perfekt authentisch!