Nazis raus oder rein? Elon Musk, die 300.
Ein bisschen hat es ja nun doch gedauert, bis Elon Musk Kanye West bei Twitter gesperrt hat. (Moooomentchen – ja, Stand jetzt, 3. Dezember, 16:48 Uhr, ist er noch gesperrt. Man muss schwer auf Zack sein, seitdem Musk Twitter leitet, und das ist nicht als Kompliment gemeint.)
Adidas war schon früher auf die Idee gekommen, sich von West zu trennen. Musk hatte den aufgrund antisemitischer Tweets gesperrten „Ye“ wieder zurückgelassen auf die Plattform. Jetzt aber hat West in einem bizarren Interview durchaus lobende Worte für Adolf Hitler gefunden und er hat ein Hakenkreuz in Verbindung mit einem Davidstern getwittert, sodass dass er derzeit (!) nicht mehr mitmachen darf. „Aufruf zur Gewalt“, lautet der Grund.
Eine gute Idee von Elon Musk. Nazi-Symbole und -Parolen, Antisemitismus – geht nicht. Mark Zuckerberg hat nach jahrelanger Weigerung dann doch irgendwann eingesehen, dass die Leugnung des Holocaust in den USA zwar legal ist, er sie aber trotzdem auf seinen Plattformen in Anbetracht des weltweit wachsenden Antisemitismus nicht weiter dulden sollte.
Also, noch mal: West zu sperren, ist eine gute Idee von Elon Musk.
Aber.
Lassen wir hier mal beiseite, dass West an einer bipolaren Störung leidet und nach Einschätzung mancher nicht mehr an dem gemessen werden darf, was er sagt. (Ich möchte das nicht anzweifeln, um das deutlich zu machen, und ich möchte eine solche Erkrankung auch nicht kleinreden. Es ist hier nur nicht entscheidend.)
Und lassen wir auch mal beiseite, dass Musk ja bekannt dafür ist, Entscheidungen schnell und schmutzig, oder sagen wir es deutlich: Gerne wohl dermaßen überhastet zu treffen, dass er sie dann auch rasch wieder rückgängig macht. Es ist jetzt schon legendär, dass er Leute wieder einstellen wollte/musste, die er nur wenige Tage zuvor gefeuert hatte. Legendär. Dabei ist es gerade mal fünf Wochen und ein paar Zerquetschte her, dass er mit einem Waschbecken in der Twitter-Zentrale einmarschierte.
Der entscheidende Punkt ist: Warum lässt Musk dann im Rahmen seiner via Twitter-Umfrage entschiedenen Amnestie führende Neonazis zurück auf seine Plattform, wie der Rolling Stone berichtet? Darunter einer, der schreibt, viele Menschen seien der Ansicht, „die Juden sollten ausgerottet werden“ (ein einigermaßen kluger Schachzug, es so zu formulieren, als würde er nicht zu diesen Leuten gehören, dabei aber offen zu lassen, wie er zu dieser unglaublichen Aussage steht. Eine Verdammung lese ich da nicht raus. Im Kontext damit, dass er laut Rolling Stone regelmäßig den Holocaust leugnet, fällt mir das noch schwerer. Außerdem schrieb der Mann 2018, er hasse Frauen. Sie gehörten vergewaltigt und in Käfige gesperrt.
Aufruf zur Gewalt? Ist das anscheinend nicht.
Er und andere sind nun also wieder da. Vielleicht bin ich zu spitzfindig, aber ist da der Schritt zur Relativierung von Adolf Hitler dermaßen groß, dass man Kanye West sperren, solche Leute aber – nein, die Frage muss ich nicht zu Ende stellen, sie ist ja absurd genug.
Es ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht so, dass Twitter Accounts sperrt, die gegen die Regeln verstoßen. Das liest man zwar aktuell, ruft man Wests Account auf. Aber es scheint ja keine allgemeingültigen Regeln mehr zu geben, keine objektiven Maßstäbe. Jemand lenkt Twitter, der sich rationalen Gedankengängen und Entscheidungen nicht verbunden fühlt. Man muss das immer wieder festhalten, damit es sich nicht abnutzt. Denn das ist brandgefährlich.