9. Juni 2022
„Sach ma, kennst du das, wenn du tagelang so nen komischen Geruch in der Nase hast und so nen komischen Geschmack im Mund?“, frage ich letzten Samstag meinen Vater, beid em ich über Pfingsten zu Besuch bin. „Jau“, sacht er, „du bist krank.“
Er hatte Recht, ich hatte ein paar Indizien übersehen. War ich wohl krank, ohne mich wirklich krank zu fühlen. Dafür aber abends ab acht müde wie nix. Muste immer früh ins Bett. Jetzt aber nicht mehr. Bin ich wohl nicht mehr krank. Kann ich wohl wieder bloggen. Und das Ostwestfälische ist in ein, zwei Tagen wohl auch wieder weitestgehend raus ausser Sprache.
Heute Morgen fuhr ich auf dem Rad zur re:publica. Ich freute mich wie verrückt. Vor allem natürlich auf die re:publica. (Gut, ich konnte von da aus nicht twittern, WEIL TWITTER MICH GESPERRT HATTE, ABER DAS LESEN SIE GERNE MORGEN IN MEINER KOLUMNE; ICH REG MICH NUR EINMAL AUF.) Ich freute mich aber auch, weil ich zeitlich super im Plan war trotz mir bis dato unbekannter Radstrecke.
Noch immer nämlich unterschätze ich die Wege in Berlin. Zudem kann ich keine Karten lesen und verfüge obendrein über nicht mal einen Hauch von Orientierungssinn. Die Gene. Ich möchte die dafür verantwortliche Person hier nicht explizit nennen. Kleiner Hinweis: Sie wurde eingangs zitiert.
Ich fasse zusammen: Pünktlich würde ich sein. Das Rad schnurrte wie eine Katze. Meine Kleidung war optimal ans Wetter angepasst. Ich fror nicht, ich schwitzte nicht. Ich war ausgeschlafen, auskuriert. Alles war perfekt.
Nun hätte ich mit zufriedenem Lächeln einfach so weiterfahren und diesen seltenen Zustand genießen können. Aber nein, ich machte es anders: Ich überlegte, was ich noch perfekt im Leben haben könnte. Mehr Struktur im Alltag, fiel mir als Erstes ein. Nicht meine Stärke.
Regelmäßige Mahlzeiten, klare Pläne für die Wochenenden, festgelegte Tage etwa für Wäsche, rechtzeitige Einkäufe, Zeitfenster für Sport – ich begann im Kopf schon, zu basteln: samstags waschen, währenddessen auf den Markt, aus den Einkäufen oder zumindest Teilen davon Mittagessen kochen. Dieses Mittagessen hatte ich bereits zu Beginn der vergangenen Woche in einem ausgeklügelten Mahlzeitenplan festgehalten, in dem sich Genuss und Vernunft die Waage (ha ha) halten, alles dafür Notwendige bestellt oder eben samstags erstanden. Nach dem Mittagessen dann Freizeitvergnügen, das ich im Laufe der Woche bereits organisiert hatte. Abends wieser essen, danach irgendwas außer Tatort, noch ein Blick in den Kalender für die Woche, und dann ins Bett.
Es klingt vielleicht spießig, das finde ich aber nicht schlimm. Ich hab nie zu den Coolen gehört, warum sollte es mir jetzt noch gelingen? Ich versuche das gar nicht mehr erst. Und trotzdem hab ich mein Vorhaben heute auf dem Fahrrad in meinem schönen roten Kleid, das ich noch schnell vorher gebügelt hatte (nachdem ich es zufällig im Schrank wiedergefunden hatte, wo es letztes Jahr wohl vom Bügel gerutscht war), und mit meiner schönen guten Laune gekippt. Denn: Ich machte erst mal Bestandsaufnahme. Und wissen Se was? Wissen Se, wie das Ergebnis lautete?
Alle hier sind sehr zufrieden.