16. März 2022
Sören Bartol von der SPD arbeitet als Parlamentarischer Staatssekrekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Er nutzt die sozialen Medien, was im noch relativ eher frisch vereidigten Kabinett erfreulicherweise keine Besonderheit mehr darstellt. (Sieh an: Im Detail habe ich mir das Nutzungsverhalten der Ampel-Granden noch gar nicht angeguckt. Zu viele andere Dinge waren bisher wichtiger, wäre jetzt meine Ausrede. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Oder um Entschuldigung bitten. So muss es ja ganz korrekt heißen.
Darauf wurde Sören Bartol von den ganz, ganz Ausgeruhten heute auch eindrücklich hingewiesen und seine Entschuldigung direkt als Nonpology abqualifiziert. Da Twitter aber ja die Hölle sein kann und derzeit ohnehin ein gegenseitiger Überbietungswettbewerb im Demonstrieren von Härte denen gegenüber, die vermeintlich nicht genauso schnell und entschlossen Frieden in der Ukraine wollen wie man selbst, muss man da nun vielleicht nicht päpstlicher sein als der Papst. Wobei der ja wahrscheinlich eher Gnade walten lassen würde. Nanu, wie hab ich mich denn jetzt dermaßen flott auf dieses thematisch denkbar dünne Eis manövriert? Katholische Kirche. Hören Sie es knacken? Ich nicht, ich bin nämlich schon wieder runter.)
So, hier bin ich.
Zurück zu Sören Bartol. Im weiteren Verlauf seines dreiteiligen Threads wird er sich nicht nur entschuldigen, sondern auch erklären. Und zwar dafür, dass er zuvor geschrieben hatte: „Ich finde diesen ‚Botschafter‘ mittlerweile unerträglich. So verhält man sich nicht gegenüber einem befreundeten Land. Und vor allem nicht gegenüber einem Kanzler, einer Bundesregierung, die gerade der Ukraine gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag hilft #respektlosigkeit“ (Bartol hat den Tweet ja gelöscht, aber ich habe einen Screenshot, um ihn korrekt zu zitieren, wenn ich den Kontext hier herstelle. Zur Schau stellen will ich ihn aber nicht, deswegen hier kein Bild. Er hat ja gelöscht und diese Löschung mit Selbstkritik versehen begründet. Ich hoffe, die Gratwanderung ist mir einigermaßen gelungen.)
Sören Bartol und dem Vernehmen nach, weitere Teile der SPD sind genervt vom ukrainischen Botschafter. Der sich, deshalb wohl die „“ in Bartols gelöschtem Tweet, aktuell nicht wie ein klassischer Botschafter verhält. Andrij Melnyk, dessen Land seit gut drei Wochen von Wladimir Putins Armee bekriegt wird, hält nichts von Diplomatie in diesen Zeiten. In denen Deutschland und andere Staaten wie etwa Polen sehr viele Flüchtlinge aufnehmen, auch Waffen liefern – Zeitenwende – sich aber nicht zu solch harten Sanktionen gegenüber Russland durchringen, wie Melnyk sie für angemessen und notwendig hält. Sein Land droht unterzugehen. So oder so.
Nun gibt es zwei Arten der Reaktion auf den ob des wütenden Andrij Melnyk wütenden Sören Bartol. Die einen sagen: „Was soll Melnyk denn beklatschen? Soll er sich noch dafür bedanken, dass der Rest der Welt der Ukraine in einer absoluten Ausnahmesituation zwar keinen Rettungsring hinwirft, sie aber vom Ufer aus anfeuert?“
Die anderen hingegen sagen: „Der Mann ist Diplomat. Da gehört Diplomatie zur Schlüsselqualifikation. Immer. Immer. Mit seinem Benehmen, wenngleich es auch menschlich nachvollziehbar ist, erweist er der Sache einen Bärendienst.“
Kann man beides so sehen. Was man aber keinesfall übersehen kann, ist die Ironie: Sören Bartol hat sich unbedacht auf Twitter geäußert. Weil der ukrainische Botschafter sich seiner Meinung nach zu unbedacht äußert.