12. Mai 2022
Mein Tag begann heute früh, er begann mit dem Thema Energie. Mein morgiger Tag wird noch früher beginnen, ich müsste eigentlich ins Bett. Aber ich werde morgen nicht müde sein, denn ich hab was für mich entdeckt: Energie ist nicht gleich Energie. Ich (er)spare mir seit Monaten konsequent die schlechte und kann dadurch mehr leisten. Und damit meine ich weiß Gott nicht nur bei der Arbeit. Wo leben wir denn? Im Calvinismus?
Ich komme gerade von einer Lesung, Britta Buchholz’ „Mutterseelenallein“. Ich erwähnte und empfahl es bereits, was ich hiermit ausdrücklich erneut tue. Britta hat den Tod ihrer Mutter zum Anlass genommen, ein Buch übers Trauen, übers Wertschätzen, übers Loslassen, über Liebe zu schreiben. Heute Abend lautete eine Frage an sie, ob sie sich an einen ganz konkreten Moment des Loslassens erinnern kann, und sie erzählte, wie sie die Trauerkarten ihrer Freunde ins Feuer geworfen habe. Nachdem sie sie eineinhalb Jahre lang mit sich herumgetragen hatte. Auf die Nachfrage, ob sie gezögert habe aus Angst, es einst zu bereuen, sagte sie: „Natürlich.“ Sie habe es aber nie bereut. Ihr sei klar, dass das Gefühl beim Lesen der Karten ja immer noch da sei. Und Loslassen wichtig.
Ich habe dieses Jahr zwei relativ radikale Entscheidungen getroffen. Eine Freundschaft beendet und einen Plan gecancelt. Ich bin meinem Gefühl gefolgt, und bisher gab es im ersten Fall wenige, im zweiten Fall gar keine Momente, in denen ich dachte: ‚Könnte man noch mal drüber nachdenken.‘
Natürlich hinterlässt so etwas eine Lücke. Aber: Es schenkt auch viel Energie. Man entscheidet das ja nicht, weil die beteiligten Leute so super ins eigene Leben passen.
Ich habe diese Woche ein sehr unangenehmes Gespräch geführt, das ich seit Monaten vermieden habe. Ich musste deutlich werden und Entscheidungen mitteilen. Das war nicht schön und wird das Verhältnis zu einem Menschen höchstwahrscheinlich nicht unbedingt zum Besten verändern, der mir sehr wichtig ist. Aber: Es ist endlich ausgesprochen und arbeitet und nicht mehr in mir.
Und gleichzeitig habe ich ein unangenehmes Gespräch abgewendet, weil ich sehr klar und ohne Unterton gesagt habe, was mir nicht gefällt. Man war sich sehr schnell einig, und nun bin ich in dieser Konstellation zufriedener denn je. Ich habe nicht erst Dampf an anderer Stelle abgeladen, wie ich es sonst getan hätte (die Anlaufstelle ist nämlich derzeit nicht verfügbar, weil sie, oh the Irony, gerade raus ist, Energie tankt, und ich sie mit derlei Anliegen nicht behelligen will) und dabei eigentlich nur noch mehr Dampf produziert.
Ich gehe wieder mehr unter Menschen, mein soziales Leben explodiert gerade quasi nach mehreren Trauerjahren, Corona und Buchschreiben. Dadurch schlafe ich weniger. Trotzdem bin ich fröhlicher, ausgeglichener – und anstrengender, „weil du jetzt wieder so präsent bist“, sagt Freundin J., tut genervt, lacht und drückt mich. Tja. Wo Licht, da Schatten 😉