10. März 2022

10. März 2022

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Ich sage das wirklich nicht oft, aber die Gelegenheit und der Anlass, ja, die dringende Pflicht, möchte ich fast sagen, ist da: Vieles wäre besser ohne Social Media. Zum Beispiel das – wie paradox! – Image von Gerhards Schröder Frau. Es waren auch schöne Zeiten, damals, ohne Smartphones, als man nicht alles voneinander mitbekam. Oder mitbekommen bekam.

Die letzten Tage haben mir noch mal eindrücklich gezeigt, warum ich Team Twitter bin und nicht Team Instagram. Dieses Sich-Zurschaustellen, dieses egozentrische und dadurch – je nach individuellem Geschick in der Intensität variierend plumpe – Herumbauen von Themen um das eigene Antlitz – schlimm. Twitter ist das härtere Medium, aber Instagram das brutalere in seiner Oberflächlichkeit. Vielleicht auch das ehrlichere.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel mehr Zuneigung man dort erhält, postet man ein Selfie. Das sind schnell verdiente Herzchen. Aber auch relativ billig verdiente. Eine Frage des Anspruchs an sich selbst und an sein Publikum. Sage mir, wer dich wofür beklatscht, und ich sage dir, wer du bist.

Und, tatsächlich erstaunlich: Während Twitter schwankt zwischen sehr lustigen und sehr zynischen Memes (es ist alles schlimm genug, deshalb nur der Verweis auf zwei lustige: hier und hier), regnet es bei Instagram rote Herzen für Soyeon Schröder-Kim. Ob jemand in dem Moment, für den Twitter sie verachtet und Instagram sie liebt, das Telefon hielt und ihr zurief: „Guck mal noch ein bisschen ind ich gekehrter!“? Oder: „Sieht schon super aus, aber vielleicht nicht ganz so ernst, das mögen die Leute nicht, mach mal ein bisschen verträumter!“? Vielleicht ihr Mann, der durch die Suche nach der perfekten Inszenierung in Zeitnot kam, Putin anrufen musste und ihm vorlog, im Stau zu stecken? Oder saßen die beiden Männer und Freunde da längst zusammen und sprachen – hoffentlich – über gesichtswahrende Wege für Putin raus aus dem Krieg, den er gegen die Ukraine führt? Ob Frau Schröder-Kim irgendwann total genervt von den Regieanweisungen die Augen öffnete, in scharfem Ton zischte: „Jetzt mach!“ – und dann zurückfiel in die sanfte Pose? Wegen The Show must go on?

Oder war sie allein und hatte ein Stativ aufgestellt und den Selbstauslöser betätigt? Oder, jetzt noch mal ganz anders gedacht und in seiner Normalität schon wieder absurd, denn hier geht es ja um Instagram: Stand sie womöglich wirklich gerade in dieser Pose vor dem Fenster, jemand sah sie zufällig dabei und hatte Glück mit dem Timing: Weil das Gebet innig und lang war, hatte er genug Zeit, das perfekte Foto zu machen? („Schießen“ wollte ich schreiben. Oh Mann.) Ohne, dass sie etwas davon bemerkte? Abwegig, ich weiß, aber spinnen wir das mal weiter: Wenn es so gewesen wäre, muss das Foto ja anschließend zu ihrer Kenntnis und in ihren Besitz gekommen sein. Das Endprodukt ist also gewollt. Und die Aufmerksamkeit. Plus die Anerkennung. Sogar ein Filter liegt drüber, ihr Gesicht wirkt leicht pixelig.

Alle sind verrückt geworden.

„Aber wenn dann morgen der Krieg vorbei ist entschuldigen wir uns alle bei #schroeder und seiner Frau“, antwortet jemand auf meinen Tweet, in den ich das Foto eingebaut habe. Das soll es mir wert sein.