Twitter versus Mastodon – oder: Krieg und Frieden

Twitter versus Mastodon – oder: Krieg und Frieden

Ich bin ein Schussel. Nicht in einem lustigen, charmanten Ausmaß, mit dem man kokettieren kann, weil man sich eigentlich total super findet, aber für menschlich mit kleinen Fehlern gehalten werden möchte, weil es dort oben an der Spitze ja bekanntlich sehr einsam ist.

Sondern in einem manchmal riskanten, manchmal auch teuren und für mich anstrengenden Ausmaß. Manchmal, nicht selten, lasse ich versehentlich über Nacht den Schlüssel außen in der Tür stecken. Neuerdings steige ich auch gerne aus dem Auto aus und vergesse den Schlüssel im Zündschloss.

Vorgestern habe ich ZU ZWEI UNTERSCHIEDLICHEN TAGESZEITEN meine Brillen verloren. Meine Lesebrille vormittags, meine Gleitsichtbrille nachmittags. Ohne kann ich nicht mehr lesen. Es regt mich auf, dass ich schon wieder Geld ausgeben muss, das noch bei mir wäre, wäre ich konzentrierter. Zudem wird sich weder das eine (Zerstreutheit, die ist nämlich angeboren) noch das andere Problem (schwindende Sehkraft) lösen: Vorgestern Abend beim Optiker fächelte ich mir kurz hektisch Luft zu, als ich meine aktuellen Dioptrien erfuhr. Rasant ist das Schlüsselwort.

Ebenso verfuhr auch meine Optikerin. Ich hatte wohl ziemlich deutlich gemacht, wie unerträglich ich den Gedanken finde, die kommenden Tage mit meiner (geschliffenen) Sonnenbrille im Büro zu sitzen. Also konnte ich schon gestern meine neue Brille abholen. (Es ist der beste Laden. Auf Nachfrage empfehle ich ihn gern weiter.)

Während die Brille noch ein bisschen enger gemacht wurde, plauderte ich mit dem Optiker. Dem geht es gut, sagt er: Er sei jetzt bei Mastodon und könne sich jetzt endlich abends wieder Nachrichten durchlesen, ohne Puls zu kriegen. Twitter habe er verlassen.

Ich bin auch bei Mastodon, habe Twitter aber nicht verlassen und werde das auch nicht tun. Es sei denn, alle Kabinettsmitglieder ziehen auch rüber zu Mastodon, ebenso alle AfDler, alle Journalisten, Medien, die ich konsumiere, inklusive der ausländischen. Wir wissen, das wird nicht passieren und wenn doch, brauchen die Mastodon-Server erstmal Riechsalz.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin da auch und ich finds da schön. Aber eben auf eine private Art, sofern man das in Bezug auf soziale Netzwerke sagen kann. Es ist so: Twitter ist wie im Büro sein. Da gibt es nette Leute, Kollegen etwa, da gibt es Infos, und da gibt es vor allen Dingen: Arbeit.

Wenn ich nach Hause komme, gibts da auch nette Leute. Nach Feierabend geh ich zum Beispiel gern noch rüber zu Nachbarin E. Die mag ich gerne. Mit der rede ich ab und zu über Politik, aber nicht oft. Mehr rede ich mit ihr über Dinge, die uns beide bewegen, umtreiben. Dabei gehen wir sehr freundlich miteinander um. Nein, im Büro ist es auch freundlich, aber nun stellen Sie sich halt nicht doof, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, Sie wissen ganz genau, was ich meine.

Ich werde das jetzt exakt so handhaben wie mein Optiker: abends Mastodon. Abends kein Twitter. Mastodon ist mein Elmex. (Natürlich ist das ein Prozess, da bin ich noch lange nicht am Ziel.)

Was wir alle drüben bei Mastodon machen, sollte Musk eines schrillen Tages aus irgendeiner Champagnerlaune heraus dort aufkreuzen – na, das weiß ich auch nicht. Dann gute Nacht, Marie.