Kühnert macht den Habeck.

Kühnert macht den Habeck.

Kevin Kühnert hat sich bei Twitter abgemeldet. Twitter führe zu „Irrtümern in politischen Entscheidungen“, so begründet der SPD-Generalsekretär seinen Schritt (€). „Etwas ist schiefgelaufen“ erscheint nun auf seinem Account. Findet Kühnert auch, irgendwie so prinzipiell und generell. Er macht also Twitter, eine Plattform, und ihre zugegebenermaßen äußerst schwierige Debattenkultur verantwortlich für Fehler bzw. Probleme seines Handelns.

Man könnte es auch so ausdrücken: Kühnert macht den Habeck.

Robert Habeck, damals noch Grünen-Chef, hat sich Anfang 2019 vom Kurznachrichtendienst verabschiedet. Der polarisierende Ton dort, der Zwang, zuzuspitzen, färbe auf ihn ab, schrieb Habeck dazu in seinem Blog. Was er dort auch sehr offen erwähnt, nicht aber als ausschlaggebenden Grund für seine öffentlichkeitswirksam inszenierte Abkehr nennt: dass er quasi zwei Mal denselben Fehler gemacht hat. Nämlich zwei Bundesländern durch eine ungenaue Formulierung quasi ihre demokratische Verfasstheit abgesprochen. Und das nicht etwa in einem Schwung – nein, im Abstand von mehreren Monaten. Beim zweiten Mal traf es Thüringen: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land“, sagte Habeck in einem von den thüringischen Grünen anlässlich der dortigen Wahl im Januar 2019 veröffentlichten Video.

Ein demokratisches Land „wird“, sagte Habeck. Nicht „bleibt“. Das wäre auch eine schwierige Formulierung gewesen, wären die Grünen dort nicht gar an der Regierung beteiligt gewesen, als ihr Bundesvorsitzender seine unbedachten Worte sprach. Und damit auf übergeordneter Ebene erstens den Eindruck erweckte, schlampig zu sein und zweitens, nicht aus Fehlern zu lernen. Denn, wie bereits erwähnt, de facto war ihm mit Bezug auf Bayern im Oktober 2018 dasselbe passiert. Etwas war schiefgelaufen. Zwei Mal.

Nun also Kühnert. Der heute Morgen noch massiv kritisiert wurde wegen Äußerungen zu Panzerlieferungen an die Ukraine. Die er ablehnt. Es gibt ja kaum noch ein emotionslos diskutiertes Thema in den sozialen Netzwerken. Russland/Ukraine aber gehört eindeutig zu den großen Aufregern. Wenn man sich dazu äußert, zumal dermaßen exponiert und umstritten, ist auf Twitter einiges los. Die Hölle. Ein logischer Tag also, um seinen Account zu deaktivieren.

Ich kann es so gut verstehen. Denn auf den Plattformen ist ja auch sehr viel schiefgelaufen und läuft viel schief. Ich will hier niemanden langweilen, wir wissen das ja inzwischen alle. Aktuell steht mir der Mund noch offen, nachdem gestern jemand unter einem Tweet von mir irrtümlich Cottbus in Thüringen verortete und dafür von diversen Usern angefeindet wurde. Als ich darauf hinwies, dass man sich womöglich im Ton moderater äußern könne, antwortete mir wahrhaftig jemand, der Accountinhaber habe sich den Hass verdient. Es gehöre schließlich zur Allgemeinbildung, dass Cottbus in Brandenburg liegt.

Zur Allgemeinbildung gehört mittlerweile auch, dass Teile der Social Networks in der Hölle liegen.

Und trotzdem ist der Abgang die falsche Entscheidung, die falsche Schlussfolgerung, das falsche Signal. Politiker müssen in der Lage sein, zu kommunizieren. Ob es unbedingt offener Streit sein muss wie am Wochenende zwischen Armin Laschet und Markus Söder wegen der Frisur von Anton Hofreiter – nein, ich mache keine Scherze, sehen Sie selbst:

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…ob das sein muss, lassen wir mal dahingestellt. Aber gar nicht mehr dabei zu sein und dem dem Mob das Feld zu überlassen – das ist für eine Demokratie nicht gut. Als demokratischer Politiker kommt man seiner Vorbildfunktion damit nicht nach. Problematisch ist auch, nicht mal zu versuchen, es besser zu machen. A

ber schauen wir uns noch mal genau an, was wir aktuell auf Kühnerts Twitter-Account zu lesen bekommen:

„Erneut versuchen“. Vielleicht macht er das ja.