2. Juni 2022

2. Juni 2022

Sheryl Sandberg verlässt Facebook bzw. Meta. Das geht hierzulande medial unter, neben Haushaltsdebatten, erstem Merkel-Auftritt nach Ende ihrer Kanzlerinnenschaft, Einigung übers Sondervermögen und Johnny Depp vs. Amber Heard.

Das ist ungut, weil Meta ja wichtig ist. Größer als jeder Staat. Also hier ein paar Gedanken zum Thema Sandberg.

Sandberg war und ist für viele Frauen ein Vorbild. Nicht nur qua Amt, sondern auch, weil sie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes öffentlich trauerte. Trauern, also Schwäche zeigen, ist ja schon dann nicht so gern gesehen, wenn jemand über einen normaldurchschnittlichen Job und ein normaldurchschnittliches Maß an Macht verfügt.

Ob Sandberg ihre Macht im Konzern dafür genutzt hat, andere Frauen zu fördern? Die beiden Autorinnen von „Inside Facebook“ haben für ihr Buch mit sehr vielen Leuten im Unternehmen gesprochen. Und die Antwort lautet „Nein“.

Was Sandberg aber getan hat, als sie 2008 von Mark Zuckerberg geholt wurde: Sie wirkte maßgeblich an der Entwicklung des Targeting mit, der nahezu maßgeschneiderten Werbung, die Unternehmen auf Facebook schalten können. Um Maß nehmen zu können, misst die Seite ihre User aus. Die müssen dafür ihre Daten hinterlassen. Mithilfe des „Data Minings“, das Sandberg als Idee mitbrachte, wird dies einfacher. Um dies wiederum zu ermöglichen, müssen wir User möglichst lange auf der Seite verbleiben. Das tun wir vor allem, wenn wir negativ emotionalisierende Beiträge sehen. Und dafür sorgen Algorithmen. Unsere Daten sind das Gold, das Meta an Werbetreibende verkauft.

Zusammengefasst: Hass ist Metas Goldgrube.

Sandberg hatte ebenso wie Zuckerberg, schreiben die New York Times-Journalistinnen Sheera Frenkel und Cecilia King, vor allem an einem Interesse: Geldverdienen. „Über Jahre hinweg war das Sicherheitsteam von der Doppelspitze des Unternehmens, die kein aktives Interesse an seiner Arbeit hegte und auch seine Berichte nicht anforderte, größtenteils vernachlässigt worden.“

Dass Donald Trump davon profitierte, dass im Zuge des Cambridge Analytica-Skandals die Daten von zig Millionen Nutzern missbraucht wurden, dass Desinformation bis heute blüht, in der Pandemie zum Beispiel sehr riskant, dass Massenmörder ihre Taten auf der Plattform streamen – auch daran hat Sandberg Anteil. Und zwar einen gewaltigen.

Sandberg hat auch versucht, einzugreifen. In einzelnen Punkten setzte sie sich durch. So gehörte sie zu denjenigen, die Zuckerberg davon überzeugten, Holocaustleugnung nicht mehr auf seiner Plattform zu erlauben. In anderen Belangen kam sie aber am allmächtigen „Zuck“ nicht vorbei.

Wenn sie jetzt geht, dürfte das deshalb wenig ändern. Interessant wird sein, ob sie irgendwann Interna aus dem Maschinenraum berichtet. Wahrscheinlich ist das allerdings nicht. Sie hängt ja mit drin. Vielleicht aber setzt sie ihr Wissen und ihre Erfahrung ja anderswo ein. Und baut etwas auf, das die gefährlichen Fehler von vornherein vermeidet, die Facebook gemacht hat. Die Hoffnung stirbt zuletzt.