22. Mai 2022

22. Mai 2022

Credits: Royal Society

„Oh nee, nich Elon Musk“, stöhnt mein Redakteur J., als wir mögliche Themen für meine nächste Kolumne durchgehen. J. ist ein sehr, sehr geduldiger Mensch, aber Musk scheint ihn zu nerven. Mich auch, schnell ist man sich einig – keine Musk-Kolumne.

Musk nervt aber inzwischen dermaßen, dass man es doch mal dokumentieren muss. Beziehungsweise nerven seine Jünger. Anders kann man diejenigen nicht nennen, die auf Zinne sind, sobald man Musk in Frage stellt.

Normalerweise – nee, normal ist gar nichts in Social Media, ich komm noch mal rein. Üblicherweise ist es ja so: Man schreibt etwas in die sozialen Netzwerke, man findet etwas gut, man freut sich über etwas, man mag jemanden, und: 3 – 2 – 1 – es findet sich immer wer, den niemand gut findet, den niemand mag, über den sich niemand freut. Und der kommentiert dann.

Nennen wir ihn mal Werner. Rein fiktiver Name, komplett random gewählt.

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Danke, Werner.

Bei Elon Musk verhält es sich umgekehrt. Kritik an Musk, Warnungen vor Musk, Bedenken ob Musks höchstwahrscheinlich künftiger Rolle als Obermokel von Twitter, Argumente (jaha, ein paar von uns glauben noch dran) gegen jedwede Machtfülle in einem einzigen Paar von Händen, noch dazu in denen von jemandem, der manchmal leicht bis extrem verhaltensauffällig, kritikunfähig, wankelmütig und verantwortungslos rüberkommt – all sie bringen Leute auf die Palme. Vor allem Leute mit einem festgefügten Weltbild. Und das sind ja meistens am konstruktiven Austausch sehr interessierte Leute. Angenehme Leute. Nee, Moment, ich komm noch mal rein: Das sind sie nicht.

In der Struktur erinnert das an die Corona-Debatte. In der Argumente nicht gelten lassen-Struktur. Wissenschaftliche Erkenntnisse – egal. Übereinstimmende wissenschaftliche Erkenntnisse aus mehreren voneinander unabhängigen Quellen – lediglich ein Beleg dafür, dass im vermeintlichen Schweinesystem alle zusammenhalten und einander decken. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht diese Woche etwa: Für einige Spezialexperten der letzte Sargnagel zum Rechtsstaat. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass in Karlsruhe nur Tröten sitzen, die woanders niemand mehr beschäftigen wollte. Im Grunde ist „BVerfG“ ein Synonym für „ABM“. Haben Sie ABM und BVerfG schonmal gleichzeitig in einem Raum gesehen? Nein? Ich auch nicht. Ich stelle hier aber auch nur Fragen.

Wagt nun tatsächlich jemand die Ungeheuerlichkeit, Elon Musk nicht als Messias, als Übermenschen, als den Retter der ganzen weiten Welt (und dank SpaceX auch des Universums) zu sehen, sondern in Zweifel zu ziehen, ob das alles so eine gute Idee ist – dann Gnade ihm Gott. Wie wir Nicht-Jünger sagen. Für die anderen ist das ja ein Synonym für Musk. Kritik an Musk ist lediglich ein Beleg dafür, wie groß „unser“ aller Angst vor Meinungsfreiheit ist. „Meinungsfreiheit“ dient hier wie in vielen anderen Debatten als Synonym für „totale Äußerungsfreiheit, Gesetze sind dabei komplett außer Acht zu lassen, Beleidigungen und Drohungen empfinden nur Menschen als falsch, die zum Schweinesystem zählen“. Die Schnittmenge aus schlecht informiert („Musk hat der Ukraine StarLink geschenkt!“ – Nein, hat er nicht, aber anscheinend geht so eine wichtige Info unter, wenn man sich nur Alternativmedien zu Gemüte führt), schlecht argumentierend („Ihr werdet Euch alle noch verantworten müssen!“) und schlecht erzogen (zitiere ich hier nicht) ist groß. Auch dies: eine deutliche Parallele zu Corona-Debatten.

Im Grunde ist das gar kein umgekehrter Mechanismus. Corona. Musk, das Klima, Flüchtlinge – sie alle sind ein Kern, um den herum sich Leute immer wieder eine andere Hülle bauen. Der Kern heißt „Verachtung“. Solche Leute beten Musk an. #NuffSaid.