Wer wir sein wollen – und wer wir sind

Wer wir sein wollen – und wer wir sind

Es gibt gerade sehr gute Gründe, Twitter zu verlassen.

Grund Nummer 1: Elon Musk feuert Leute. Mal eben, einfach so, knallhart. Ja, man kann sagen, dass das in den USA und wohl speziell in der Branche so Usus ist. Aber will man jemand sein, der oder die dieses Argument gelten lässt?

Grund Nummer 2: Elon Musk feuert Leute, die für Ethik zuständig sind. Die UN ist bereits auf dem Plan. Nun kann man sagen: Bitte, wir sind auch alle bei Instagram und nutzen WhatsApp. Und nur weil Elon evil ist, ist Mark Zuckerberg ja nicht plötzlich legitimer Anwärter auf Heiligsprechung. Aber will man jemand sein, der oder die dieses Argument gelten lässt?

Grund Nummer 3: Musk lässt sich von Rechten anfeuern und feuert Rechte an mit seiner Definition von Meinungsfreiheit, die er jedoch zum Beispiel nicht so weit fasst, wenn er als Objekt involviert ist. Nun kann man sagen: Gerade deshalb bleibe ich hier, als Teil eines Bollwerks. Aber will man jemand sein, der oder die dem naiven Glauben anhängt, etwas bewirken zu können?

Man könnte nun also sagen: Ich verlasse den Bums. Sollen die mal schön machen, soll 8 Dollar für ein Abo inklusive blauem Häkchen bezahlen (falls Sie jemand sein wollen, der oder die mir jetzt wirklich und wahrhaftig erklären will, dass es ein weißes Häkchen auf blauem Grund ist – das haben Sie super gemacht, danke schön!) wer will und für wen es sich tatsächlich auszahlt, ich würde das jetzt gar nicht per se ausschließen, aber als Privatperson oder dieses Zwitterwesen, die Leute wie ich da sind, ist das doch Kokolores. Ich zahle kein Geld dafür, dass sich jeder Hanselpansel den blauen Haken kaufen kann und so tun, als hätte er Ahnung und Anstand und Relevanz.

Man könnte also den eigenen Account da dicht machen und komplett migrieren zu Mastodon. (Falls Sie jemand sein wollen, der mir jetzt wirklich und wahrhaftig mit der Fediverse-Definition kommen möchte: nein danke, aber super!) Es wäre konsequent, und wir möchten ja wahrscheinlich alle konsequent sein und dem doofen Musk vielleicht auch auf diese Art und Weise den Mittelfinger zeigen. Oder eben, indem wir dortbleiben.

Man will ja klar sein, man will, um es auf Coronadeutsch zu formulieren, wenn schon nicht vor der Welle sein, dann aber doch wenigstens keinesfalls hinter ihr.

Nur leben wir in keiner perfekten Welt, und ich finde, dass Musk eine gute Schablone insofern abgibt, als man sich von ihm fabelhaft abgrenzen kann, indem man sagt, dass man nicht albern sein will. Ich für meinen Teil, bitte seien Sie jetzt niemand, der oder die etwas schnell persönlich nimmt und sich sich schnell angegriffen fühlt, fände es albern, jetzt direkt Nägel mit Köpfen zu machen. Deshalb bin ich bei Mastodon und bei Twitter. Ich gucke mir erstmal weiter an, was bei Twitter passiert und schüttle ab und zu fassungslos den Kopf. Dasselbe tue ich aber bei Mastodon, weil das technisch und optisch und in Sachen Usability auch nicht so recht ernstgemeint sein kann. Vielleicht ist das jetzt die Transition. Was weiß ich.

Ich kann ganz schnellen Entscheidungen gerade nur den ausgestreckten Mittelfinger zeigen. Und diesem Hang zur Selbstinszenierung mancher, die jetzt mit großem Getöse bleiben oder aber auch gehen. Das wenigstens ist konstant gleichgeblieben, der Hang zur heroischen Pose. Dafür bin ich aber zu bequem. Und, ja klar, warum drumrumreden, zu eitel. So schnell geb ich meine Community nicht auf. Alles andere wäre doch gelogen, und das nervt mich auch. Schönen Sonntag!

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