25. April 2022
Habe überlegt, wofür es richtig, richtig Ärger gibt auf Twitter. Und auch bei Instagram. Da sind ja auch nicht nur total liebe Leute. Worauf sich alle unzufriedenen und unerzogenen Leute einigen können, wozu sich alle auf einen sehr lauten und ungezogenen Plausch auf der Palme einigen und verabreden können, ist: Gendern. Ich habe selten so absurde Zuschriften bekommen wie nach Sequenzen im Fernsehen, in denen ich gendernd zu sehen und zu hören war.
Lowlight war ein älterer Herr, der sich unter seinem Klarnamen bei Facebook ein vergiftetes Herz fasste und mir schrieb. Er wünsche mir und vor allem meiner Familie, dass ich ins Wachkoma falle. Für sehr lange Zeit. Ich solle nicht sterben, sondern vor mich hinvegetieren. Meine Angehörigen sollten immer mal hoffen, dass ich doch wieder aufwache und stets aufs Neue enttäuscht werden.
Keine Ahnung, was ich hätte anstellen müssen, um das zu verdienen. Geschweige denn meine arme, völlig unbeteiligte Familie. De facto hatte diesen abscheulichen Herrn die Tatsache so in Rage versetzt, dass ich den Glottisschlag verwendet hatte. Womöglich ist er da traumatisiert. Es soll ja Leute geben, die aus ganz anderen Gründen Traumata mit sich herumtragen. Menschen können sehr irre sein.
Seit einiger Zeit gendere ich nicht mehr, aus ganz pragmatischen Gründen: Unter Videos wurde fast ausschließlich darüber diskutiert, nicht mehr über die Inhalte. Dafür war mir meine Arbeitszeit zu schade. Klar, in meinem Fall haben damit die Krawallos gewonnen, könnte man sagen. Aber erstens gibt es ja auch Menschen, die das Gendern mit Glottisschlag ablehnen, ohne anderen direkt einen Hirnschlag an den Hals zu wünschen. Und zweitens: Wenn ich mit jüngeren Menschen rede, wird mir sehr schnell klar: Das Thema ist einem natürlichen, demografischen Prozess unterworfen, sodass es nur noch eine Frage der Zeit ist. Die jungen Leute gendern.
Obwohl ich das Experiment für mich im vergangenen Jahr an den Nagel gehängt habe, schreiben mich grob über den Daumen gepeilt weiterhin ein, zwei Spezialfachleute pro Woche an. Die sehr originellen veranstalten irgendwas mit meinem Nachnamen, der ja das Wort „Mann“ beinhaltet, und wer auf Zack ist, der erkennt mit dem Adlerauge des Genies die Vorlage darin für einen Spitzengag. Andere pöbeln einfach so. Es geht also gar nicht um einen aktuellen Aufhänger, sondern um aktuellen Frust. Da scheine ich eine beliebte Anlaufstelle zu sein. Ein Ventil. Man weiß es nicht.
Dem älteren Herrn hab ich damals geantwortet, dass ich seine Zuschrift niederträchtig finde und sie meine Familie bestimmt sehr verletzten würde. Darauf entschuldigte er sich ganz schnell mit der – auch dies eine Spezialität der Gripselite – beliebten Begründung, jemand anderes hätte über seinen Account Kontakt zu mir aufgenommen. Ich bin ein Ventil. Bei solchen Maulhelden ist schnell die Luft raus. Haben wir also doch was gemeinsam. Wenn auch denkbar wenig.